Die berühmt berüchtigte "Drache Nationale" hat nicht gefehlt. Dunkle Wolken bildeten quasi die Kulisse für das traditionelle Defilee militärischer und ziviler Einheiten auf der Place des Palais.
Zum Te Deum am Morgen hatten die Ehrengäste noch keine Regenschirme gebraucht. Jeder Nationalfeiertag beginnt traditionell mit dem feierlichen Hochamt in der Brüsseler Kathedrale St. Michael und St. Gudula. Zelebriert wurde der Gottesdienst unter anderem von Luc Terlinden, dem Erzbischof von Mechelen-Brüssel. Im Anschluss nahm die Königsfamilie dann noch ein Bad in der Menge, das ausgiebig ausfiel, weil es der Wettergott zu diesem Zeitpunkt noch gut meinte.
Zeitgleich startete das inzwischen auch schon traditionelle Fest in und um den Brüsseler Park. Hier stellen sich insbesondere auch die föderalen Dienste der Öffentlichkeit vor: Streitkräfte, Polizei, Feuerwehr, Zivilschutz, ... die bei der Gelegenheit zahlreiche Animationen anbieten. Und gegen Mittag gingen dann auch die Regenschirme auf.
Pünktlich zum Beginn des traditionellen Defilees zeigte sich aber dann doch wieder die Sonne. Die Parade militärischer und ziviler Einheiten ist immer noch einer der Höhepunkte des Nationalfeiertags. Mehr denn je, muss man sagen. Der militärische Charakter war in den letzten Jahren so ein bisschen in den Hintergrund gerückt, das Ganze wirkte fast schon wie ein Anachronismus aus dem Kalten Krieg. Doch haben sich die Zeiten bekanntlich geändert. Die Bedrohung durch Russland ist zu einer neuen politischen Priorität geworden, erst recht seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump, da man sich ja nicht mehr auf die Amerikaner verlassen kann - und will.
Belgien wird ja schon in diesem Jahr den Gegenwert von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung investieren. Gerade erst hat die Regierung ein ausgedehntes Investitionsprogramm für die Streitkräfte beschlossen. Und das Defilee dürfte ab jetzt wohl zu so einer Art "Vitrine" werden für all die Neuanschaffungen, die im Laufe der letzten zwölf Monate getätigt wurden.
In diesem Jahr war der "Griffon" der unbestrittene "Star" der Parade. Der Griffon ist ein gepanzertes Mehrzweckfahrzeug, das unter anderem als Truppentransporter eingesetzt wird. Die Streitkräfte haben insgesamt 382 Griffons bestellt. Zu sehen waren die ersten Ausführungen, die in Belgien gebaut wurden. Die neuen F-35 waren aber in diesem Jahr noch nicht dabei, die werden wohl im nächsten Jahr präsentiert werden können.
Für die Streitkräfte hat das Defilee jedenfalls inzwischen wirklich den Rang eines "Werbe-Events", denn die Armee rekrutiert. Die Truppe soll nämlich spürbar aufgestockt werden, von jetzt 26.000 auf dann knapp 35.000. Angeführt wurde die Parade von den Veteranen. Einen Ehrenplatz nahmen dabei die ersten Frauen ein, die vor 50 Jahren in die Streitkräfte aufgenommen wurden.
Mit dabei war auch ein historischer amerikanischer Sherman-Panzer, der an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor genau 80 Jahren erinnern sollte. Dieser Sherman gehörte zu den ersten, die im Winter 1944-45 die deutschen Linien um Bastogne durchbrochen hatte. Viele Soldaten musste erstmals vermummt paradieren: Sie trugen einen sogenannten "Schlauchschal", der Mund und Nase bedeckt. Diese Vorsichtsmaßnahme galt für die Soldaten, die auf dem Terrain zum Einsatz kommen, insbesondere an der Nato-Ostflanke.
Gegen 16 Uhr nahm der König auf der Ehrentribüne Platz, umringt erstmal von seiner Familie, also zuallererst natürlich von Königin Mathilde, die diesmal ganz in Rot gekleidet war. Kronprinzessin Elisabeth trug auch in diesem Jahr wieder eine Marineuniform. Prinzessin Astrid und Prinz Laurent waren auch dabei und natürlich Prinzessin Delphine, für die es bereits die fünfte Teilnahme war. Und dann natürlich die Vertreter der verschiedenen Regierungen des Landes.
Für Premierminister Bart De Wever war es im Übrigen eine Premiere. Seine Partei, die N-VA, hat ja eigentlich das Defilee immer boykottiert. Diesmal saßen mit Verteidigungsminister Francken und De Wever gleich zwei N-VA-Politiker auf der Ehrentribüne. Seine Ansichten hätten sich nicht geändert, sagte De Wever in der RTBF. Er nehme aber sein Amt und seine Aufgabe ernst, und deswegen sei er selbstverständlich anwesend.
De Wever und seine Kollegen Föderalminister hatten aber sichtbar kleine Augen, sie hatten ja bis in die frühen Morgenstunden an ihrem Sommerabkommen gearbeitet. Die meisten werden sich wohl nach der Parade diskret zurückziehen, um Schlaf nachzuholen. Währenddessen geht die Party weiter. Höhepunkt ist das große Konzert im Cinquantenaire-Park mit dem traditionellen Feuerwerk zum Abschluss.
Roger Pint