Eine Idee ging ihren Weg. Je häufiger insbesondere Premierminister Bart De Wever in der Kammer auf die Reformen und Sparmaßnahmen seiner Regierung angesprochen wurde, desto mehr wuchs die Einsicht, dass die Politik auch bei sich selbst den Hebel ansetzen muss. Nach dem Motto: "Wir können nicht von der Bevölkerung Opfer verlangen, wenn wir nicht auch selbst dazu bereit sind".
Insbesondere dachte da jeder gleich an die Abgeordneten-Pensionen. Die waren ja vor einiger Zeit nochmal besonders in den Fokus gerückt, als bekannt wurde, dass einige ehemalige Kammerpräsidenten sich Altersbezüge zugeschustert hatten, die sogar illegal waren, weil sie über das gesetzlich festgelegte Maximum hinausgingen. Und insbesondere die linke Opposition ließ keine Gelegenheit aus, die Mehrheitsfraktionen daran zu erinnern, dass die Politik eben mit gutem Beispiel voranschreiten und ihre "Privilegien" beschneiden sollte.
Vertreter der fünf Arizona-Fraktionen setzten sich also zusammen, um eine Reform des Abgeordneten-Status auszubrüten. Am Dienstag konnten N-VA, MR, CD&V, Les Engagés und Vooruit eine Einigung verkünden, die dann gleich am Mittwoch auch schon auf Ebene des Präsidiums der Kammer verabschiedet wurde.
Diese Reform umfasst drei große Kapitel. Erstens soll das Pensionssystem der Abgeordneten angepasst werden. Konkret wird es den geltenden Ruhestandsregeln für Beamte angeglichen. Für die Berechnung der Pension von Parlamentariern werden nicht mehr allein die Bezüge des letzten Dienstjahrs (in der Regel am höchsten) in Betracht gezogen. Künftig liegen die letzten zehn Laufbahnjahre in der Waagschale, was also dazu führen wird, dass die Pension niedriger ausfällt.
Ab 2027 soll zudem das Renteneintrittsalter für Abgeordnete (beziehungsweise die erforderliche Anzahl Dienstjahre) jedes Jahr um ein Jahr angehoben werden, parallel also zu der Entwicklung, die für den Rest der Bevölkerung gilt.
Zweites Kapitel: die Abschiedsprämie. Übergangsgeld wäre eigentlich der treffendere Ausdruck. Bislang war es ja so, dass Abgeordneten mitunter horrende Zahlungen zustanden, wenn sie das Parlament verließen, was in regelmäßigen Abständen für einen Sturm der Entrüstung sorgte. Künftig soll jeder Parlamentarier nur noch Anrecht auf eine "Diätenfortzahlung" für die Dauer eines Jahres haben. Bislang konnten das bis zu zwei Jahre sein. Ganz konkret: Bis jetzt belief sich der Höchstbetrag auf 240.000 Euro, künftig ist das nur noch etwas mehr als die Hälfte.
Dritter Punkt: Die Zusatzvergütungen, auf die zum Beispiel Ausschussvorsitzende Anrecht haben, werden künftig nicht mehr automatisch ausgezahlt, also wie ein gewöhnliches Gehalt, sondern nur noch, wenn der oder die Betreffende auch tatsächlich anwesend war.
Die Reform wird von der Opposition unterschiedlich aufgenommen. Für die liberale OpenVLD geht das Ganze durchaus in die richtige Richtung; auch die Grünen können sich in der Neuordnung mehr oder weniger wiederfinden. Scharfe Kritik gab es derweil von der marxistischen PTB. Viele "Privilegien" der Abgeordneten blieben weiter unangetastet, wird die PTB-Fraktionsvorsitzende Sofie Merckx zitiert. Die PTB will jedenfalls einen eigenen Vorschlag ins Parlament einbringen, der vorsieht, künftig auch die Aufwandsentschädigungen zu besteuern. Diese Zusatzvergütungen belaufen sich auf immerhin 2.500 Euro im Monat - steuerfrei.
Wie dem auch sei, dDie Reform ist erstmal beschlossene Sache und wird jetzt den zuständigen Diensten übermittelt. Sie gilt aber erstmal nur dort, wo die Arizona-Parteien zuständig sind: auf der föderalen Ebene. Man werde jetzt aber schnellstmöglich auf die anderen Parlamente des Landes zugehen, um die Regeln landesweit zu harmonisieren.
Wein zum Mittagessen abgeschafft
Bei ihrer Reform haben die Arizona-Fraktionen auch einen Rat beherzigt, den Premierminister Bart De Wever Anfang Februar höchstselbst im Halbrund ausgesprochen hatte.
"Wenn ich mich schon einmischen darf, so plädiere ich wärmstens dafür, den Alkohol aus der Cafeteria des Parlaments zu verbannen. Ich denke, dass wir wohl die einzigen sind, die am Arbeitsplatz noch gratis Alkohol zur Verfügung haben. Und das ist nicht mehr zeitgemäß", sagt der bekennende Diätcola-Trinker.
De Wever Appell wurde gehört: Alkohol ist ab jetzt in der Parlaments-Cafeteria tabu.
Roger Pint