Rund 135 "Uithalers" hat die belgische Polizei in diesem Jahr bisher allein im Hafen von Antwerpen verhaften können. Zum Vergleich: Das sind schon mehr als im gesamten Jahr 2024. Für diesen Anstieg gibt es verschiedene Gründe. Zum einen ändern die Drogenkartelle ständig ihre Vorgehensweisen, wie An Berger von der föderalen Polizei in der VRT erklärt.
2023-2024 setzten die Narcos vor allem auf trojanische Container, schmuggelten also ganze Teams von Drogenabholern in Containern von Land aus auf das Hafengelände. In den letzten paar Monaten sieht man aber eine andere Taktik: Um das Risiko, Kokain-Ladungen zu verlieren, besser zu verteilen, schmuggeln die Kartelle jetzt kleinere Mengen – dafür aber häufiger.
Entsprechend hat sich auch die Mission der Drogenabholer verändert. Die Drogenmafia schickt statt großer nun kleinere Gruppen Uithalers in den Hafen, oft nur zwei oder drei Personen auf einmal - dafür aber quasi ständig. Wenn das Herausholen der Drogen mal schiefgeht, dann stehen am Tag danach oder ein paar Tage später eben neue Uithalers parat.
Meist handelt es sich bei diesen Drogenabholern um Menschen mit einem für die Kartelle sehr attraktiven Profil, nämlich um Menschen, die bereit sind, gegen Geld oder gegen ein iPhone oder Ähnliches Handlangerdienste zu machen. Es ist das bereits bekannte "Crime-as-a-service"-Schema, Verbrechen als Dienstleistung. Ein Schema, das nicht nur die Drogenkartelle gerne für alle möglichen kleineren Aufgaben nutzen, sondern zum Beispiel auch die Russen für ihre sogenannte hybride Kriegsführung gegen Europa.
Die eigentliche Rekrutierung verläuft dabei über die heute üblichen Kanäle, über die sozialen Medien oder private Messaging-Dienste wie Telegram. Das macht es auch einfach, willige Helfer fernab der großen Städte wie Antwerpen, Rotterdam oder Amsterdam zu finden. Nicht umsonst hat Europol mittlerweile eine Taskforce einrichten müssen, der schon acht Länder angehören.
Typischerweise handelt es bei den Rekruten um junge Männer aus sozial schwachen Schichten. Diese Jungs kämen meist aus bestimmten Milieus - Milieus, in denen der äußere Schein sehr wichtig sei. Milieus, in denen sie andere Jungs sähen, die mit viel Geld protzen könnten. Dieses Bling-Bling sei leider ein Lockruf, dem manche nur schwer widerstehen könnten, führt die Antwerpener Anwältin Chantal Van den Bosch aus.
Die rekrutierten Jugendlichen würden auch immer jünger, so die Anwältin. Der jüngste bisher hier erwischte Uithaler war gerade mal 13 Jahre alt. In den Niederlanden setzen die Kartelle sogar noch jüngere Handlanger ein. Die Jugendlichen seien sich häufig der Gefahren nicht wirklich bewusst, die sie eingingen. Beziehungsweise sei es eben das, was man umgangssprachlich auch als "Gier frisst Hirn" bezeichnet: Sie blenden die Risiken einfach aus, um ihre versprochene Belohnung zu bekommen.
Das macht die Risiken aber nicht weniger real. Zum einen ist schon das Eindringen in das Hafengelände lebensgefährlich, betont An Berger, denn hier sind ständig riesige Maschinen unterwegs.
Lebensgefahr droht aber auch noch aus einer anderen Ecke, wie Van den Bosch hervorhebt. Wer sich mit den Kartellen einlässt, der spielt mit den harten Jungs, die ohne mit der Wimper zu zucken auch foltern und morden. Das ist nicht nur lebensgefährlich für die Drogenabholer selbst, sondern potenziell für ihre ganze Familie.
Boris Schmidt