Die Ausstellung "Gerettet – auf Zeit" war 2019 zunächst in Köln zu sehen, dann zog sie nach Berlin und ist jetzt in Brüssel zu sehen. Es sind die gleichen Stellwände, die gleichen Geschichten. Auch die Orte der Geschichten sind natürlich die gleichen geblieben.
Herbesthal und sein Bahnhof stehen in der Ausstellung immer noch symbolisch für die Sicherheit, die für die Kinder gesucht wurde und in Herbesthal dann glücklich erreicht wurde. Herbesthal war für die Züge aus Köln die erste Station nach der Grenze. Dort wurden die Kinder von Belgiern in Empfang genommen. Freundlich, oft mit frischer Kleidung und einem warmen Kakao.
Insgesamt 17 solcher Kindertransporte in Zügen zwischen Köln und Belgien sind bislang bekannt für die Zeit zwischen Ende 1938 und 1939. Lange her – könnte man sagen. Warum diese Ereignisse aber trotzdem immer noch relevant sind für uns heute, das wurde bei der Auftaktveranstaltung für die Ausstellung klar, die jetzt für wenige Tage in der Landesvertretung von Nordrhein-Westphalen bei der EU in Brüssel zu sehen ist.
Ob Sylvia Löhrmann, Beauftragte des Landes NRW für die Bekämpfung von Antisemitismus, ob Katharina von Schnurbein, für das gleiche Thema zuständig bei der EU-Kommission, oder ob Martin Kotthaus, Deutschlands Botschafter in Belgien: Sie alle betonten in ihren Wortbeiträgen, dass die Geschichte von damals, die Verfolgung von Juden, nichts an Aktualität verloren habe.
"Die Shoa ist ein Teil der deutscher Geschichte, mit der wir uns immer wieder auseinandersetzen müssen. Heutzutage kommt es darauf an, alles zu tun, um sicherzustellen, dass sich solche Gräuel nie wiederholen können", sagt Botschafter Kotthaus.
"Heute kommt es darauf an, den Antisemitismus, der in den letzten Jahren ja sehr viel stärker wieder geworden ist in Europa, aber auch in Belgien und auch in Deutschland, wirksam zu bekämpfen. Sich dessen bewusst zu sein. Und deshalb bin ich bei solchen Ausstellungen und Eröffnungen immer dabei, weil das einfach ein Anliegen ist, für das wir uns jeden Tag, jeder einzelne, engagieren müssen."

Als Zeugen der Zeit, als Belgien kurz nach Kriegsbeginn von den Nazis besetzt war und sich jüdische Menschen allgemein vor den Besetzern verstecken mussten, waren Regina Sluszny und Adolphe Nysenholc zur Veranstaltung geladen. Im Gespräch mit dem Moderator, BRF-Direktor Alain Kniebs, berichteten sie davon, wie es war, während der Nazi-Herrschaft bei belgischen Pflegeeltern zu wohnen, weil auch ihre Eltern sie dort in größerer Sicherheit wähnten als bei sich selbst.
Die beiden weit über 80-Jährigen gehören also nicht zu den Kindern, um die es in der Ausstellung geht. Trotzdem waren sie gerne der Einladung zu der Eröffnungsveranstaltung gefolgt, um über ihre eigenen Erfahrungen sprechen zu können. "Ich finde, dass man die Dinge, die vor 80 Jahren passiert sind, nicht vergessen darf", sagte Regina Sluszny. "Diese Ereignisse haben damals stattgefunden, aber das alles kann morgen zurückkommen. Und damit das morgen nicht zurückkommt, muss man seine Geschichte kennen."
Als Stellvertreter für die damals aus Deutschland nach Belgien verschickten Kinder jetzt hier in Brüssel zu sein, sei für ihn eine Ehre, betonte Adolphe Nysenholc. "Ich bin sehr berührt. Normalerweise hätten hier die Kinder sein müssen, die vor dem Krieg gerettet worden sind. Aber nur ganz wenige von ihnen leben noch. Sie waren ja älter als ich. Ich bin also hier, um den Staffelstab, um die Erinnerung an ihrer Stelle weiterzutragen."
Neben dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Lern- und Gedenkort Jawne aus Köln, der die Ausstellung auf die Beine gestellt hat und auch alle Recherchen rund um die Einzelschicksale der nach Belgien verschickten Kinder geführt hat, ist auch die Deutschsprachige Gemeinschaft Mitveranstalter der Ausstellung in Brüssel. Die Vertretung von NRW sei auf die DG zugekommen, berichtet dazu Fatma Girretz von der DG-Vertretung in Brüssel. Sie vertrat Ministerpräsident Oliver Paasch, der durch andere Termine verhindert war.
"Die Haltung innerhalb der Deutschsprachigen Gemeinschaft zum Zweiten Weltkrieg ist ja umstritten. Es gab sowohl Begeisterung als auch Ablehnung. Und ich denke, dass es für uns unheimlich wichtig ist, der Geschichte zu gedenken und ihr einen Raum zu geben. Wir dürfen nicht verleugnen, dass wir auch eine Mitschuld getragen haben, dass es aber andererseits auch in Belgien Widerstand gab. Auch in Ostbelgien."
Die Ausstellung "Gerettet – auf Zeit. Kindertransporte nach Belgien 1938/1939" ist bis nächste Woche Donnerstag (8. Mai) in den Räumen der Landesvertretung NRW in Brüssel zu besichtigen. Zwischen 9 und 16 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos.
Kay Wagner