Viele besorgte Gesichter am Donnerstag in der Kammer, denn die Welt verändert sich mit rasender Geschwindigkeit. US-Präsident Donald Trump brüskiert insbesondere die europäischen Partner ein ums andere Mal. Die wohl verstörendste und zugleich folgenreichste aller Pirouetten: Man weiß inzwischen nicht mehr, auf welcher Seite die USA im Ukraine-Krieg stehen.
Die Europäer sind jedenfalls jetzt aus ihrem naiven Dornröschenschlaf erwacht. Auch Belgien wird jetzt massiv in seine Verteidigung investieren. Der Prozess wurde beschleunigt: Schon in diesem Jahr will man das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllen. "Aber: Wer soll das bezahlen?", fragte sich die OpenVLD-Abgeordnete Alexia Bertrand. "Selbst innerhalb Ihrer Regierung gibt es da keine einheitliche Position", wandte sie sich an den Premier.
Und in der Tat: In den letzten Tagen hat man aus den Reihen der fünf Regierungsparteien so ungefähr alles und sein Gegenteil gehört. Was Bart De Wever auch nur bedauern konnte, schließlich hätten die Gespräche gerade erst begonnen. Deshalb könne er die Frage nach der Finanzierung auch noch nicht beantworten. Dafür sei es noch zu früh.
Dennoch: "Wer wird das bezahlen?", wetterte auch anklagend PS-Chef Paul Magnette. "Jedenfalls nicht die Arbeiter, auch nicht die Pensionierten. Man sollte vielmehr die Russen selbst die Zeche zahlen lassen." Magnette denkt da konkret an die in Belgien eingefrorenen russischen Vermögenswerte, die man eben einfach nur enteignen müsse.
"Gefährlicher Nonsens", erwidert Premier De Wever. Seine Regierung wisse allerdings auch, dass man jeden Euro nur einmal ausgeben kann. Selbst wenn die EU-Kommission da nicht so genau hinsehen will, so sei es doch wichtig, dafür zu sorgen, dass die Staatsfinanzen nicht noch zusätzlich entgleisen. Heißt konkret: Man wird das irgendwie doch gegenfinanzieren müssen.
"Ach nee!", schimpfte aber Sofie Merckx von der marxistischen PTB: "Wenn's um unsere Pensionen oder den Öffentlichen Dienst geht, dann sind die Kassen angeblich leer. Für die Verteidigungsausgaben scheint es dagegen keine Grenzen zu geben".
De Wever musste auf diese Bemerkung gar nicht reagieren, das übernahm MR-Chef Georges-Louis Bouchez. Der war als Abgeordneter auch unter den Fragestellern, konnte es sich aber nicht verkneifen, auf die Kritik der PTB-Kollegin einzugehen. "Wissen Sie", sagte Bouchez, "wenn wir nicht für unsere Sicherheit sorgen, dann gibt es am Ende keine Krankenhäuser mehr".
Alle waren sich jedenfalls darin einig, dass man hier - wenn möglich - vor allem der heimischen Industrie den Vorzug geben sollte, also idealerweise belgischen, in jedem Fall europäischen Unternehmen. Die europäischen Partner sähen das ähnlich, versicherte De Wever. Wobei jeder wisse, dass eine europäische Koordination in Rüstungsfragen schon immer ein Problem war, das auch nicht einfach zu lösen sei.
Kritik gab's allerdings an Verteidigungsminister Francken, der ja weiter auch auf amerikanische Waffen setzen will, insbesondere die F-35-Kampfjets.
Apropos: Zuweilen klang auch beißende Kritik an den USA an. PS-Chef Magnette ging sogar so weit, und bezeichnete Donald Trump als größte Bedrohung für unsere Sicherheit.
"Mal langsam", erwiderte Premier De Wever. Auch das sei Nonsens, noch gebe es schließlich die Nato. Grober Anti-Amerikanismus bringe uns keinen Schritt weiter, sagte De Wever. Das gelte auch im Zusammenhang mit dem Zoll-Krieg, den Trump gerade vom Zaun gebrochen hat. In einer ersten Phase werde Belgien nur indirekte Auswirkungen spüren. In jedem Fall habe die EU-Kommission richtig reagiert: Sie habe klargemacht, dass sich Europa nicht alles gefallen lässt, zugleich aber signalisiert, dass man weiter den Dialog suche. Nur Freihandel kann für Wohlstand sorgen, betonte De Wever. Und wir sollten hoffen, dass wir die Amerikaner wieder auf diesen Weg zurückbringen können.
Roger Pint