Der Fall der Killer von Brabant ist längst das Symbol für ein Scheitern. Im Zeitraum zwischen 1982 bis 1985 können der Bande 28 Morde zugeordnet werden. Sie ging dabei oft geradezu demonstrativ spektakulär vor, fast herausfordernd, provokativ, verhöhnend: Supermärkte wurden regelrecht angegriffen. Dabei schossen die Täter wild um sich, die Opfer wurden richtiggehend abgeschlachtet. Es wurde getötet, um zu töten. Nicht umsonst betrachten einige Experten die Verbrechen der Killer von Brabant als reinen Terrorismus. Dass ein solcher Fall bis heute ungeklärt ist, ist definitiv kein Ruhmesblatt für den Rechtsstaat.
Nun ist es nicht so, als hätte die Justiz es nicht versucht. Vor rund zehn Jahren startete die Föderale Staatsanwaltschaft noch einmal eine Art Schlussoffensive. Unter Federführung der Justizbehörden von Charleroi wurde die Akte nochmal komplett durchgearbeitet, man versuchte, doch noch einen Durchbruch zu erzwingen. Es gab sogar neue Grabungen und der Kanal Brüssel-Charleroi wurde noch einmal von Tauchern abgesucht, was dann gleich wieder neue Hoffnungen weckte bei den Opfern und Angehörigen. Doch es half alles nichts: Am 28. Juni 2024 teilten die zuständigen Ermittlungsleiter sichtbar zerknirscht den Familien mit, dass sie die Ermittlungen einstellen wollen. Abschließend entscheiden musste das die Anklagekammer von Mons.
Vor dem Gericht haben die Anwälte der Opfer und Angehörigen aber mit allen Mitteln zu verhindern versucht, dass die Akte definitiv geschlossen wird - offensichtlich mit Erfolg. Diese Feder kann sich erstmal der Rechtsanwalt Kristiaan Vandenbussche an den Hut stecken. Er ist unter anderem der Rechtsbeistand der Familien von Georges De Smet, der von den Killern von Brabant auf dem Parkplatz des Delhaize-Supermarkts im ostflämischen Aalst erschossen wurde. Um die Attacke von Aalst drehte auch die Argumentation von Anwalt Vandenbussche.
9. November 1985
Ein kurzer Blick zurück: Samstag, 9. November 1985, 19:30 Uhr. Ein dunkler VW Golf hält vor dem Delhaize von Aalst. Drei maskierte Männer springen raus. Sie sind schwer bewaffnet: zwei von ihnen mit Schrotgewehren, der dritte mit einer Maschinenpistole. Erst feuern sie systematisch auf die Menschen, die auf dem Parkplatz in ihren Autos warten. Einer der drei Verbrecher bleibt draußen, um Schmiere zu stehen, die zwei anderen rennen in den Supermarkt und schießen auch dort auf alles, was sich bewegt.
Ein regelrechtes Massaker, das in keinem Verhältnis steht, zumal angesichts der doch vergleichsweise bescheidenen Beute. Acht Menschen kommen bei der Attacke ums Leben, neun weitere werden zum Teil schwer verletzt. Die Täter können unerkannt entkommen. Der Überfall vom 9. November 1985 sollte der blutigste und zugleich auch der letzte der Killer von Brabant sein. Danach verschwinden sie für immer von der Bildfläche.
Neben dem dunklen VW Golf sollen die Täter auch einen hellen Mercedes benutzt haben. Genau das wird am Abend in den Nachrichten berichtet. Hier kommen zwei Jungs aus Opwijk in der Provinz Flämisch-Brabant ins Spiel, zwei Brüder, die 1985 sieben und neun Jahre alt waren. Die beiden vertrieben sich gerne die Zeit damit, sich die Kennzeichen von Autos zu notieren, inklusive der Marke und des Fabrikats der dazugehörigen Fahrzeuge, sagte Anwalt Kristiaan Vandenbussche in der RTBF. Als in den Nachrichten von den beiden Fluchtwagen die Rede war, sagen beide sofort wie aus einem Mund "Wir haben diese beiden Autos heute Nachmittag gesehen, haben sogar deren Kennzeichen aufgeschrieben".
Das war um 17:30, zwei Stunden vor der Attacke von Aalst. Die beiden Jungs können sich auch deshalb an die beiden Autos erinnern, weil sie ihnen gleich komisch vorkamen. In dem Golf saßen etwa vier schwarzgekleidete Männer. Der Vater nimmt die Aussage seiner Söhne ernst. Er geht zur Polizei und übergibt den Beamten sogar das Notizbuch der Kinder. Danach wurde die Familie aber nie mehr kontaktiert, die Jungs wurden nie verhört. Die Spur ist 1985 im Sande verlaufen.
Vandenbussche und sein Team haben besagtes Notizbuch der Jungs jetzt in der Akte wiederentdeckt. Nicht vergessen: Das Dossier der Killer von Brabant umfasst rund eine Million Seiten, da kann auch mal was verschütt gehen. Besagte "Jungs" sind heute 47 und 49 Jahre alt. Sie sollen jetzt endlich verhört werden - auf Anordnung der Anklagekammer von Mons. "Und wir haben ein Kennzeichen", sagt Rechtsanwalt Vandenbussche. "Im Fall Dutroux hat ein halbes Nummernschild gereicht, um den Fall zu lösen. Wir haben ein ganzes. Wir hoffen wirklich, dass das dazu beitragen kann, den Fall doch noch zu lösen."
Roger Pint