Der Name Pascale Absil war bis vor Kurzem wohl nur Insidern ein Begriff. Die Mittfünfzigerin ist seit dem vergangenen 1. Mai die neue Generaldirektorin der Föderalen Agentur für Nuklearsicherheit (Fank). Und gleich bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt hat sie schon mit bemerkenswerten Aussagen von sich reden gemacht.
Es ging natürlich um die Zukunft der beiden noch verbleibenden belgischen Kernreaktoren, denn das ist naturgemäß das wohl heißeste Dossier auf dem Tisch der neuen Fank-Chefin. Die Vivaldi-Regierung hatte die Laufzeit der beiden Meiler Mitte des Jahres im "Hauruckverfahren" noch einmal um zehn Jahre verlängert. Eigentlich sollten die Reaktorblöcke Doel 4 und Tihange 3 im kommenden Jahr definitiv abgeschaltet werden. Dann aber kam der russische Angriffskrieg in der Ukraine.
Vor diesem Hintergrund wurde Gas als Brennstoff für Kraftwerke plötzlich zu einer nicht mehr ganz so cleveren Alternative, was dann quasi zu einer Rehabilitierung der Kernkraftwerke führte. Erst recht für die Arizona-Parteien. Allen voran N-VA und MR wollen künftig sogar mehr denn je wieder auf Atomkraft setzen. Ein erster Schritt wäre dann also die Verlängerung der Laufzeiten von Doel 4 und Tihange 3 um gleich nochmal zehn Jahre, Deadline wäre dann 2045.
Die neue Fank-Chefin, Pascale Absil, sieht hier kein grundsätzliches Problem. Zumindest nach dem derzeitigen Stand der Dinge spreche prinzipiell nichts wirklich dagegen, sagte sie in der VRT. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Im Klartext: Natürlich müssen die Anlagen immer abgenommen werden, die Fank muss also ihr grünes Licht für den Betrieb geben. Das war ja auch bis jetzt schon die Conditio sine qua non.
Verfallsdatum "konstruiert"
Die Fank hat immer ein Auge auf die Reaktorblöcke. Und alle zehn Jahre findet eine ausgiebige, tiefgreifende Kontrolle statt, eine "große Inspektion" sozusagen. Im Grunde reiche das auch, sagt die neue Fank-Chefin. Früher habe man keine Abschaltdaten für Reaktorblöcke festgelegt. Entscheidend für den Weiterbetrieb waren allein die Ergebnisse der Sicherheitsprüfung. Abschaltdaten seien erst ins Gesetz hineingeschrieben worden, als der Atomausstieg erstmals beschlossen wurde, also im Jahr 2003. Was dann irgendwann suggeriert habe, dass es eine Art Verfallsdatum gebe.
Letztlich seien diese Abschaltdaten also ein Konstrukt. Das Gesetz habe 40 Jahre als Deadline festgelegt. Dafür gebe es aber eigentlich keine Grundlage. In anderen Ländern gebe es so etwas nicht. Deswegen empfehle sie denn auch, sich künftig keine verbindlichen Fristen mehr zu setzen. Das mache vieles leichter, sagte Pascale Absil in der VRT. Zum Beispiel in puncto Planungssicherheit: "Bestimmte Investitionen werden vereinfacht, wenn es eine längere Perspektive gibt."
Ein doch bemerkenswerter Satz, der in einigen Ohren auch nicht unbedingt gut ankommen dürfte. Kein Abschaltdatum, das würde ja - zumindest theoretisch - bedeuten, dass die Kernreaktoren auch noch über 2045 hinaus in Betrieb bleiben könnten. Doel 4 und Tihange 3 wären dann beide 60 Jahre alt, beide Blöcke sind 1985 ans Netz gegangen.
Pascale Absil spricht hier wohl allein aus der Perspektive ihrer Behörde und natürlich auch aus der rein technischen Sicht. "Solange wir keine Mängel feststellen, können die Anlagen weiterlaufen, da muss man kein Verfallsdatum anheften", so könnte man ihren Standpunkt zusammenfassen.
Klare Ansage erwünscht
Der Rest sei eben eine politische Entscheidung. Wobei auch der Betreiber am Ende natürlich ein Wörtchen mitzureden hat. Es ist bekannt, dass sich der Energiekonzern Engie-Electrabel eigentlich von der Kernkraft verabschieden wollte. Für den Weiterbetrieb von Doel 4 und Tihange 3 hat man sich denn auch eigens mit dem belgischen Staat eine gemeinsame Betreibergesellschaft gegründet.
In jedem Fall sollte sich die Politik jetzt schnell entscheiden und dabei auch klare und verbindliche Ansagen machen, empfiehlt die neue Fank-Chefin. Eben aus Gründen der Planungssicherheit, damit etwa die nötigen Investitionen vorgesehen werden können.
Belgien wäre in jedem Fall nicht das einzige Land, das seine Kernkraftwerke auch über das Alter von 40 Jahren hinaus weiterdrehen lassen würde, sagt Pascale Absil. In den Niederlanden und in der Schweiz wurden gerade Laufzeitverlängerungen für die ältesten Reaktorblöcke beschlossen. Demnach werden einige davon am Ende sogar mehr als 60 Jahre auf dem Buckel haben.
Roger Pint