Die ehemalige RTBF-Fernsehjournalistin Hadja Lahbib saß dort, wo früher ihre eigenen Gäste saßen: nämlich in der Mitte des gerundeten Tisches der RTBF-Sendung "Jeudi en Prime", links und rechts von ihr zwei ehemalige Kolleginnen, immer noch Journalistinnen der RTBF.
Und als ob sie von diesen Schlimmes zu erwarten hätte, machte Lahbib am Anfang ganz und gar nicht den Eindruck, sich wohlzufühlen. Sie wirkte angespannt, zeigte kein Lächeln auf ihrem Gesicht, antwortete stark konzentriert auf die Fragen. Erst im Verlauf des Gesprächs lockerte sie auf - doch dazu später.
Ihre Wahl zur belgischen EU-Kommissarin sei ja durchaus kritisch gewertet worden in Belgien, musste sie von ihren Ex-Kolleginnen hören. Der bisherige Kommissar Didier Reynders wäre ja gerne Kommissar geblieben. Was könne sie dazu sagen?
"Ich bin eine andere Wahl, die demokratisch herbeigeführt wurde", antwortete Lahbib. "Die von einem Parteichef gefällt wurde, dessen Aufgabe es war, einen Kommissar vorzuschlagen. Ich bin also nicht weniger legitim oder legitimer als Didier Reynders vor fünf Jahren."
Kritik an ihr habe es ja auch gegeben, weil sie als Außenministerin nach Meinung einiger nicht unbedingt eine gute Figur gemacht habe, war eine weitere Frage. "So etwas muss man in Kauf nehmen und lernen, damit umzugehen", antwortete Lahbib. "Das gehört leider wohl dazu, wenn man sichtbar wird. Dann wird man automatisch auch zur Zielscheibe. Das hat mich geformt und mich zu der Politikerin gemacht, die ich heute bin."
Und dann taute Lahbib langsam auf. Auf die Frage zum Beispiel, ob sie stolz auf das sei, was sie als Außenministerin geleistet habe, ließ Lahbib mit einer Art Anekdote einen ersten Blick hinter die Kulissen zu. "Ich bin sehr belgisch, also immer bescheiden", sagte sie. "Während unserer EU-Ratspräsidentschaft habe ich sogar ein Wort erfunden: 'humbly-proudly' - also bescheiden stolz. Ich denke, dass ich mich ins Zeug gelegt habe, ich habe mich nicht geschont, und ich habe die Position Belgiens immer vertreten, die als eine gerechte und ausgewogene Position auf internationaler Bühne angesehen wird. Und darauf bin ich stolz."
In ihrer neuen Position als EU-Kommissarin werde sie allerdings andere Positionen vertreten, kündigte Lahbib an. Über sich und ihre neuen Kollegen aus den anderen Ländern sagte sie: "Ab dem Augenblick, in dem wir Kommissar werden, stellen wir uns in den Dienst des europäischen Projekts und aller europäischen Bürger. Politisch werden wir in gewisser Weise neutral. Und damit natürlich auch neutral gegenüber unserem Heimatland".
Als es dann um ihren Nachfolger im Amt des Außenministers ging und einer der RTBF-Journalistinnen wissen wollte, ob man schon wisse, wer das sein wird, waren die Dämme bei Lahbib gebrochen. Sie zeigte sich locker, fast schon belustigt. "Das muss Georges-Louis Bouchez entscheiden, er ist Parteichef", antwortet Lahbib zunächst.
Daraufhin die Journalistin: "Könnte er das auch selbst sein? Er scheint ja durchaus offen dafür, er hat es selbst gesagt". "Das muss man ihn fragen", wich Lahbib zum ersten Mal aus.
Doch ihre Ex-Kollegin ließ nicht locker: "Könnte er das denn schaffen? Sie kennen die Aufgaben, die einen Außenminister erwarten", hakte sie nach. Doch wieder wich Lahbib aus: "Solche Fragen müssen Sie ihm schon selbst stellen. Ich werde zu diesem Thema nichts sagen".
Kay Wagner