Dass das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten ein heißes Eisen ist, das ist beileibe nichts Neues. Nicht umsonst ziehen sich die Verhandlungen mittlerweile schon Jahrzehnte hin. Ein anderer Punkt, den man bei Freihandelsabkommen und Belgien unbedingt im Hinterkopf behalten sollte: Alle Regionen müssen zustimmen, man erinnere sich nur an das Drama um das Ceta-Abkommen mit Kanada zurück.
Was das EU-Mercosur-Abkommen angeht, ist die Lage auch eher unübersichtlich im Land. Die wallonische Regierung hat sich klar dagegen positioniert. Die Flamen scheinen eher in Richtung "dafür" zu tendieren – kein Wunder, für den Wirtschaftsmotor Hafen Antwerpen würde der Deal enorme Vorteile bedeuten. Und auf föderaler Ebene? Tja, da ist es ein bisschen schwierig, eine deutliche Position auszumachen. Wobei man natürlich auch nie vergessen darf, dass die Regierung De Croo nur noch geschäftsführend im Amt ist.
Dennoch haben die Abgeordneten der Kammer am Donnerstag versucht, den zuständigen föderalen Landwirtschaftsminister David Clarinval von der MR in dieser Hinsicht zum Farbe bekennen zu zwingen. Was sei seine Position?, fragte etwa unmissverständlich Rajae Maouane von den Grünen. Gerade angesichts der Bedrohung, die das Abkommen darstelle für die Gesundheit der Menschen, für die Landwirte Belgiens und auch für den Planeten an sich. Denn die wichtigsten Kritikpunkte am Abkommen sind ja, dass in der südamerikanischen Landwirtschaft in Europa verbotene Substanzen zum Einsatz kommen, Stichwort Wachstumshormone und Pestizide.
Viele in Europa befürchten auch, dass der Kontinent dann mit viel billigeren Produkten überschwemmt werden wird, die nicht unter den gleichen strengen Auflagen hergestellt worden sind, sprich unfairer Wettbewerb. Und schließlich warnen Kritiker auch davor, dass das Abkommen zur Abholzung von noch mehr Waldflächen in Südamerika führen könnte, um landwirtschaftliche Nutzfläche für den Export zu schaffen.
Und wer glaubt, dass nur die Grünen diese Punkte aufgegriffen haben, der irrt – auch Les Engagés, Défi, CD&V, PS und sogar die Liberalen von MR und Open VLD schlugen in die gleiche Kerbe – wenn auch natürlich mit jeweils eigenen Schwerpunkten.
Man brauche in Europa keine Produkte von der anderen Seite des Erdballs, wenn es hier schon entsprechende Produkte gebe, warf etwa François De Smet von Défi ein, der auch mehr "intelligenten" Protektionismus forderte.
Fairer Wettbewerb sei ein Eckpfeiler für freien Handel, so auch Steven Coenegrachts von der Open VLD. Aber man müsse feststellen, dass das Abkommen in seiner jetzigen Form dieses Prinzip eines ehrlichen Wettbewerbs nicht ausreichend schütze.
MR-Landwirtschaftsminister David Clarinval seinerseits erinnerte die Abgeordneten daran, dass Belgien der Europäischen Kommission gegenüber schon länger Bedenken geäußert habe, gerade in puncto Nachhaltigkeit und Schutz der heimischen Landwirtschaft. Teilweise liefen darüber die Verhandlungen auch noch, so Clarinval weiter. Aber es sei korrekt, dass diese Zusatzverhandlungen keinen Einfluss haben würden auf landwirtschaftliche Produkte und Nahrungsmittel. Er plädiere deshalb für unilaterale und allgemeine Spiegelklauseln im landwirtschaftlichen Bereich, erklärte der MR-Minister. Ohne solche verpflichtenden Spiegelklauseln glaube er nicht, dass Belgien dem EU-Mercosur-Handelsabkommen zustimmen könne.
Wie in allen Handelsangelegenheiten werde Belgien seine offizielle Position gemeinsam mit den Regionen festlegen. Und zwar auf Basis des endgültigen Vertragstextes, den die Kommission dem Rat vorlegen werde. Und selbstverständlich würden die Auswirkungen auf die Landwirtschaft ausschlaggebend sein für die letztliche Entscheidung Belgiens, versicherte der föderale Landwirtschaftsminister.
Landwirtschaftsminister David Clarinval will sich innerhalb der noch amtierenden Regierung auch dafür stark machen, dass zusätzliche Mittel freigemacht werden zur Bekämpfung der Blauzungenkrankheit. Das sagte der MR-Politiker ebenfalls am Donnerstag in der Plenarsitzung der Kammer.
Ende Oktober hatte Clarinval entschieden, dass die Impfungen ab kommendem Jahr Pflicht sind, die Kosten aber zu Lasten der Züchter von Rindern und Schafen gehen. Das hatte die Bauernverbände auf den Plan gerufen.
Boris Schmidt