Es war zu erwarten gewesen, was jetzt in Brüssel zu ersten Tatsachen geführt hat: Die Umweltpolitik der vergangenen Jahre wird nicht mehr mit dem gleichen Eifer fortgeführt, wie bislang.
Grund: Die frankophonen Grünen von Ecolo hatten bei den Wahlen im Juni starke Verluste eingefahren. Die Stimmen der flämischen Schwesterpartei von Groen sind zu wenig, um die neuen Mehrheiten, allen voran die frankophone mit MR, Les Engagés und PS, ihn ihren Vorhaben zu bremsen.
Ergebnis: Der MR-Abgeordnete Gaëtan Van Goidsenhoven konnte sich ziemliche siegessicher am Freitag ans Rednerpult im Parlament stellen und folgende Sätze sagen: "Der Gesetzesänderungsvorschlag hat das Ziel, die nächste Phase der Brüsseler Umweltzone um zwei Jahre zu verschieben, damit die Neuerung besser als bislang geplant umgesetzt wird. Sozial besser verträglich, wirtschaftlich ausgeglichener."
Bislang sahen die Pläne der Brüsseler Umweltzone – kurz auch LEZ genannt – vor, dass ab Januar neue Fahrverbote gelten sollten. Alle Diesel-Pkw mit Motoren der Euro-5-Norm hätten dann nicht mehr in der Hauptstadtregion fahren dürfen. Bei Benzinmotoren hätte es alle Autos mit Euro-2-Norm getroffen. Tausende Fahrzeuge wären betroffen gewesen.
Das wird jetzt nicht so kommen. Um zwei Jahre ist die Einführung dieser Fahrverbote jetzt durch das Brüsseler Parlament verschoben worden. Nur die beiden grünen Parteien Ecolo und Groen sowie Défi stimmten dagegen. Die flämischen Parteien N-VA, Vooruit und CD&V enthielten sich der Stimmen.
Das alles war schon vor der Abstimmung absehbar. In der Debatte vor dem Votum kam es trotzdem noch einmal zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern der Verschiebung. Die Grünen-Abgeordnete Isabelle Pauthier von Ecolo sagte dabei in Richtung Mehrheit: "Egal, welche Alibis Sie auch vorbringen: Sie werden dafür sorgen, dass unsere Lungen zwei weitere Jahre lang verschmutzt werden. Darum geht es im Grunde bei diesem Thema. Und das wird auf dem Rücken der einkommensschwachen Haushalte ausgetragen, die in den dichtbevölkerten Stadtvierteln wohnen, und zum Vorteil der luftigen Außenbezirke und Vororte von Brüssel."
Défi-Politiker Jonathan de Patoul teilte gegen Les Engagés aus. "Zur Erinnerung", sagte er, "die Umweltzone wurde 2018 in Brüssel eingeführt von Céline Fremault, damals CDH, heute Les Engagés. Und man muss feststellen, dass die ersten Ergebnisse ziemlich gut waren."
An den Kritisierten perlte die Kritik ab. Christophe De Beukelaere von Les Engagés erklärte Grünen und Défi auch noch einmal, warum seine Partei sich jetzt für die Verschiebung der ursprünglichen Pläne einsetzt. "Wenn Sie das jetzt auf Teufel komm raus durchdrücken wollen“, sagte er, und meinte damit die neuen Fahrverbote ab Januar, „wird folgendes geschehen: Klimaskeptische Parteien, denen die Gesundheit der Bürger total egal ist und von denen wir heute ja einige Redner gehört haben, werden alles zurückdrehen, und das wird dann für alle dauerhaft so sein."
Tatsächlich hatten sowohl der Vlaams Belang als auch die PTB zuvor ihre grundsätzliche Abneigung gegen die Umweltzone noch einmal bekräftigt. Der PTB-Abgeordnete Olivier Rittweger de Moor sagte dabei wörtlich: "Die PTB ist die einzige Partei in diesem Parlament, die nie für die Umweltzone war. Denn die Umweltzone ist die Umsetzung einer Politik, die bestraft, die elitär und sozial ungerecht ist."
Alle anderen Etappen der Brüsseler Umweltzone bleiben übrigens so, wie bislang schon beschlossen. 2028, 2030 und 2038 sollen die weiteren Fahrverbote folgen. So sehen es die Pläne vor. Noch zumindest.
Kay Wagner