Keine Frage, die Menschen, die am Dienstag in Brüssel im Europaviertel demonstriert haben, stehen in den Augen vieler auf der beruflichen und gesellschaftlichen Leiter nicht sehr weit oben. Viele nehmen sie im Alltag gar nicht wahr, sei es, weil man einfach so an ihren Anblick gewohnt ist. Oder auch, weil sie ihre Arbeit eher außerhalb der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten erledigen oder in Bereichen, in denen man sich normalerweise nicht aufhält. Aber dennoch ist die Arbeit dieser sogenannten "kleinen Rädchen im Getriebe" unersetzlich. Wer das nicht wahrhaben will, kann sich kurz versuchen vorzustellen, wie lange es gut gehen würde, wenn in Betrieben und Institutionen nicht mehr zum Beispiel geputzt, gekocht, serviert oder bewacht und kontrolliert würde.
Diese Art von Arbeit ist naturgemäß oft hart - und noch dazu nicht anständig bezahlt, wie ein Security-Mann in der VRT beklagt. Auch ein Mangel an Wertschätzung und Respekt sei oft ein Problem. In den Augen vieler Betroffener wird diese Art von Arbeit auch immer schlimmer. Es gehe bergab - und zwar jedes Jahr immer weiter bergab, bekräftigt auch eine Demonstrantin. Das sei nicht nur nicht mehr zumutbar, sondern schlicht unmenschlich. Der Arbeitsdruck habe immer weiter zugenommen und trotzdem werde immer nur von noch mehr Einsparungen gesprochen, prangert eine andere an.
Regeln der EU für öffentliche Ausschreibungen
die Einsparungen seien nicht alles, beklagt eine im Reinigungssektor tätige Frau. Sie müsse immer mehr leisten und bekomme immer weniger Zeit dafür. So etwas mache die Menschen auch körperlich einfach kaputt und gehe so auf Kosten ihrer Gesundheit. Für diese Entwicklung gibt es natürlich verschiedene Gründe. Aber einen gewichtigen Grund sehen die Gewerkschaften bei den Regeln der Europäischen Union für öffentliche Ausschreibungen. Diese Regeln sorgten dafür, dass Aufträge immer nur an den günstigsten Anbieter gingen - und das sorge für einen sehr harten Wettbewerb zwischen den Firmen, erklärt Bart Decock von der liberalen Gewerkschaft.
Die Firmen müssten trotzdem Gewinn machen, ergänzt Hervé Hemeleer von der christlichen Gewerkschaft. Das gehe nur auf Kosten der Arbeitnehmer. Die Gewerkschaften haben deshalb auch deutliche Forderungen an die europäische Politik: Sie wollen eine Reform der bestehenden Regeln für Ausschreibungen, wie Koenraad Maertens von der sozialistischen Gewerkschaft ausführt. Statt immer nur um den niedrigsten Preis müsse es auch um andere Kriterien gehen, zum Beispiel um die Arbeitsbedingungen oder um soziale Kriterien. Die Gewerkschaften wollen auch kollektiv verhandeln können für die Arbeitnehmer der betroffenen Sektoren.
Außerdem prangern sie noch ein zweites großes Problem an: dass die Gewinner einer Ausschreibung die eigentliche Arbeit an Subunternehmer weitergeben, wie Gaëtan Stas von der christlichen Gewerkschaft hervorhebt. Das mache es schwieriger, darüber zu wachen, dass die Auflagen in puncto Arbeitsbedingungen auch eingehalten würden. Dann gebe es eben immer wieder auch skrupellose Firmen, die diese Auflagen verletzten. Sprich, die gegen geltende Regeln für Arbeitsbedingungen und Gehälter verstießen, Sozialabgaben nicht zahlten und so weiter, so der Gewerkschafter.
Flughafen Lüttich hat am Dienstag mehr zu tun als sonst
Während auf den großen Flughäfen des Landes - den Flughäfen Zaventem und Charleroi - am Dienstag gar nichts mehr ging, wurden in Lüttich sogar mehr Landeflüge abgefertigt als üblich.
Am Flughafen Lüttich arbeite man zwar am Dienstag mit minimalem Personal, aber man komme "über die Runden", so die Flughafenleitung. Mit Ausnahme eines Fluges in die Dominikanische Republik finden alle Flüge statt. Man habe sogar Anfragen von Fluggesellschaften, um auf den Flughafen Lüttich ausweichen zu können.
Die Entwicklung der Situation lässt sich auf der Webseite der Lütticher Flughafens verfolgen.
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