"Hadja Lahbib wird EU-Kommissarin für Vorsorge und Krisenmanagement". Auf diese Worte der EU-Kommissionsvorsitzenden Ursula von der Leyen hatten die belgischen Beobachter gewartet. Um dann aber wohl auch gleich etwas verdutzt zu reagieren: "Vorsorge und Krisenmanagement" - das gab es aber auch noch nicht. In der Tat, denn von der Leyen führt aus: "Dies ist ein weiteres neues Portfolio, das sich mit Widerstandsfähigkeit, Vorsorge und Katastrophenschutz befasst", sagte die alte und neue Kommissionschefin in Straßburg. Lahbib werde die EU-Anstrengungen beim Krisenmanagement und bei der humanitären Hilfe koordinieren. Darüber hinaus werde sie auch verantwortlich sein für das Thema Gleichstellung.
Für Ursula von der Leyen ist Hadja Lahbib die richtige Frau am richtigen Platz. Hadja Lahbib verfüge über eine solide Erfahrung im Bereich Außenpolitik. Und der Bereich "Vorsorge" sei klassischerweise an die humanitäre Hilfe gekoppelt… Das Konzept "humanitäre Hilfe" sei zudem erweitert worden. Bislang ging es hier nur um Hilfe in anderen Teilen der Welt: In Krisen- oder Katastrophengebieten. Doch zeige nicht zuletzt die Flutkatastrophe in Zentral- und Osteuropa, dass das auch verstärkt in Europa zum Thema wird. Die Klimakrise sorge für immer häufigere Überschwemmungen, Extremwetterereignisse oder Waldbrände. Und auf solche Katastrophen müssen wir vorbereitet sein.
Hadja Lahbib selbst freut sich offensichtlich auf ihre neuen Aufgaben. Das seien doch sehr konkrete Zuständigkeiten, sagte die 54-Jährige in der VRT. Humanitäre Hilfe, hier gehe es doch schließlich darum, Menschen zu helfen. Außerdem sei sie verantwortlich für das Thema Gleichstellung. Und das liege ihr besonders am Herzen, ob nun Geschlechtergleichheit oder die Rechte der LGBTQ-Gemeinschaft, der Menschen mit einer Beeinträchtigung oder der Minderheiten.
"Schön und gut", werfen da aber die Kritiker ein: "Das sind Politikbereiche, die nicht wirklich schwer wiegen und für die die EU noch dazu allenfalls peripher zuständig ist". Die Musik spielt vor allem in der Wirtschafts-, Finanz- oder Klimapolitik. Lahbibs Vorgänger als belgischer EU-Kommissar, Didier Reynders, war immerhin verantwortlich für Justiz und Rechtsstaatlichkeit. Kurz und knapp, so der Vorwurf einiger Beobachter: Belgien habe - im Vergleich zu früher - an politischem Einfluss verloren.
Lahbib kann diese Kritik nicht nachvollziehen: Eine komische Analyse sei das, sagte Lahbib in der VRT. Hier gehe es doch schließlich um die Grundwerte der Europäischen Union. Es gibt da noch eine Lesart: Belgien habe allzu lange über seiner Gewichtsklasse geboxt, geben einige Beobachter zu bedenken. In einer EU mit 27 Mitgliedstaaten könne man nun mal nicht immer in vorderster Front stehen. Die Wahrheit liegt bekanntlich irgendwo in der Mitte.
Aber es ist wohl so, dass Hadja Lahbib den einen oder die andere erst noch von ihren Qualitäten wird überzeugen müssen. Gelegenheit dazu wird sie bald bekommen. Denn: Bislang ist die Liste von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nämlich nur ein Vorschlag. Die einzelnen Bewerber auf einen Kommissars-Posten werden jetzt noch in den zuständigen Parlamentsausschüssen auf den Grill gelegt, wie es der Frankophone so wunderbar formuliert. Sprich: Die Kandidaten müssen eine regelrechte Aufnahmeprüfung durchlaufen. Und das ist keine Formalität: In der Vergangenheit sind da auch schon Prüflinge durchgefallen, einige mussten sogar ersetzt werden.
Nicht nur für Hadja Lahbib, sondern für alle ist das eine Herausforderung. Aber besonders gespannt sein darf man da auf die Anhörung von einem der designierten "Exekutiv-Vizepräsidenten" der Kommission: Raffaele Fitto ist nämlich ein Parteikollege der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von der rechtsextremen Partei Fratelli d'Italia, die zuweilen als "postfaschistisch" klassifiziert wird. Linke Parteien nannten die Personalie schon einen "Kniefall" vor den Rechten. Das nur, um zu sagen: Die Kommission steht erst, wenn sie auch vom EU-Parlament bestätigt wurde…
Roger Pint