Von einem Fehlstart kann man zwar nicht sprechen, aber der Auftakt der föderalen Koalitionsverhandlungen hätte doch harmonischer verlaufen können. "Erste Hindernisse tauchen auf für Regierungsbildner Bart De Wever", so bringt es am Mittwoch die Zeitung De Standaard auf den Punkt. Man könnte es auch so formulieren: Der Arizona-Motor hatte offensichtlich Startschwierigkeiten; er wollte erstmal nicht so richtig anspringen, er ruckelte und schuckelte, und es gab einen Moment lang auch erhebliche Rauchentwicklung.
Erstmal zum Ruckeln und zum Schuckeln: Regierungsbildner Bart De Wever hatte am Dienstag zum Auftakt fünf Eckpunktpapiere vorgelegt, fünf Diskussionsgrundlagen für die von ihm identifizierten fünf Kernthemen, nämlich Beschäftigung, Gesundheit, Migration, Innere Sicherheit und Verteidigung. Das Problem war nur, dass einige Partner sich darin so gar nicht wiedererkennen konnten. Kein Wunder, denn es handelte sich noch nicht um den Versuch einer Synthese, sondern diese Eckpunktpapiere kamen einzig und alleine von der N-VA. Und da dürfe es denn auch gar nicht verwundern, dass sich etwa die Zentrumsparteien mit dem Inhalt nicht hundertprozentig identifizieren können, sagte CD&V-Chef Sammy Mahdi in der RTBF. Es waren eben N-VA-Vorschläge. "Wir brauchen aber 'Arizona'-Vorschläge."
Auch Maxime Prévot, der Vorsitzende von Les Engagés, übte hörbare Kritik an der Arbeitsmethode. Ok! Der Regierungsbildner wolle verschiedene thematische Arbeitsgruppen bilden und hat da jeweils auch schon Eckpunktepapiere vorgelegt. "Die müssen wir jetzt aber erstmal gemeinsam durchgehen." Und auf den ersten Blick gibt es da noch verdammt viel Arbeit.
"In der Tat, das wird wohl noch ein langer Sommer", sagt Prévot. Und so viel ist deutlich: Wenn Regierungsbildner Bart De Wever seine Arbeitsmethode nicht ändert, wenn er nicht konsequenter die Arizona-Schnittmengen in den Blick nimmt, dann wird's am Ende vielleicht auch noch ein langer Herbst.
Soweit zum Ruckeln und zum Schuckeln. Darüber hinaus gab's dann aber auch noch erhebliche Rauchentwicklung. Dafür verantwortlich war der Vooruit-Spitzenpolitiker Conner Rousseau. Der hatte - pünktlich zum Auftakt der Verhandlungen - in der Zeitung De Tijd einen Gastbeitrag veröffentlicht. Darin übte er zunächst scharfe Kritik an den EU-Haushaltsregeln. Seine These, grob zusammengefasst: Ein übertriebener Sparkurs würgt die Wirtschaft ab; strategische Investitionen sind nötig, vor allem mit Blick auf die Energiewende, aber - damit verbunden - auch, um den Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Und weil diese Investitionen von so tragender Bedeutung sind, sollte man sie notfalls aus den laufenden Haushalten herausrechnen bzw. ausklammern.
Die Argumentation ist nicht neu. Rousseau wollte wohl nach einhelliger Beobachter-Meinung stellvertretend für Vooruit nochmal Flagge zeigen - eine rote freilich, denn die flämischen Sozialisten sind - im Arizona-Verbund - die einzige Partei, die links vom Zentrum steht.
"Eigentlich rennt Rousseau hier offene Türen ein", reagierte CD&V-Chef Sammy Mahdi. Natürlich muss der Staat investieren. Daneben brauchen wir aber auch Strukturreformen. Das eine schließt das andere doch nicht aus.
Seine Meinung zu den EU-Haushaltsregeln hatte Rousseau auch in der VRT darlegen dürfen. Ganz am Ende fügte er dann aber noch schnell ein Sätzchen hinzu. Der Moderator war schon bei der Abmoderation, im Hintergrund lief schon Musik, als Rousseau das Regierungsabkommen, das MR und Les Engagés in der Wallonie geschlossen haben, als "heiße Luft" bezeichnete.
"Uijuijui", reagiert der VRT-Moderator auf den doch harschen Vorwurf von Conner Rousseau. Les-Engagés-Chef Maxime Prévot reagierte jedenfalls wenig später hörbar verschnupft auf den "Heiße-Luft"-Seitenhieb des Kollegen. "Also, elegant ist was Anderes", sagte Prévot in der VRT. "Wahrscheinlich wollte Rousseau seinen frankophonen Genossen von der PS damit einen Gefallen tun. Das ehrt ihn aber nicht wirklich."
"Na, das fängt ja gut an", bemerkt ein Journalist". "Naja, Hauptsache, das Ganze endet gut", erwidert Prévot.
Fazit nach Tag eins der Koalitionsverhandlungen: Der Arizona-Motor muss jetzt wohl mal warmlaufen. Will man fristgerecht ankommen, dann wird sich das Ruckeln und Schuckeln noch in ein Schnurren verwandeln müssen.
Roger Pint