"Die letzte Umfrage" titelt die Zeitung Het Laatste Nieuws. Grundsätzlich ändert sich da nicht viel: Der Vlaams Belang bleibt deutlich vor der N-VA, die wiederum deutlich vor Vooruit rangiert. Zwar entfernt sich der Vlaams Belang weiter von der 30 Prozent-Marke, doch die Gefahr eines Schwarzen Sonntags wird auch durch die "letzte Umfrage" nicht wirklich aus der Welt geschafft.
Und so kann Belang-Chef Tom Van Grieken auch durchaus gelassen der VRT ein langes Interview geben. Deutlich betont Van Grieken darin noch einmal, dass seine Partei die Kaufkraft der Menschen stärken will, weniger Einwanderung und weniger Islam haben will. Und dass er weiter an der Unabhängigkeit von Flandern arbeiten möchte.
Das hatte in den letzten Wahlen auch Bart De Wever von der N-VA immer gesagt. Doch De Wever distanziert sich mittlerweile von dieser Forderung nach Unabhängigkeit. Was bei Van Grieken nicht gut ankommt. Natürlich nicht, denn ohne die N-VA würde die Unabhängigkeit von Flandern keine Mehrheit finden im flämischen Parlament.
Weshalb die Worte von Van Grieken Richtung De Wever deutlich sind: "De Wever ist der beste Propagandist für das Belgien, wie es heute besteht", sagte Van Grieken. "Ich nehme es ihm schon persönlich übel, dass er die Forderung nach Unabhängigkeit als Chaos bezeichnet und lächerlich macht."
Dermagne zögert
Zögerlich hörte sich Freitagvormittag bei der RTBF Pierre-Yves Dermagne (PS) an, immerhin Vize-Premierminister des Landes. Er war zu Gast in der Sendung Matin Première, als letzter Politiker vor den Wahlen, der seinen Standpunkt und den Standpunkt seiner Partei auf diesem Plateau darstellen durfte. Dermagne, auch Wirtschafts- und Arbeitsminister, wurde gefragt, ob die PS nicht Muffensausen vor der PTB bekomme. Nach kurzem Zögern wies Dermagne das von sich.
Auch vor der MR habe er keine Angst, obwohl die MR in den Umfragen vor der PS liegt. "Das macht mir keine Angst, weil wir eigentlich immer Umfragen Lügen gestraft haben", kommentierte Dermagne. Er war allerdings auch in einer schwierigen Situation. Denn für den Abend im Fernsehen der RTBF ist schon - gleichsam als Höhepunkt des medialen Wahlkampfs - das Duell zwischen PS-Chef Paul Magnette und MR-Chef Georges-Louis Bouchez geplant. Wenn der Chef später am Tag sowieso noch zu Worte kommt, was sollte Dermagne da schon früh am Morgen sagen.
Mangelware Wahlhelfer
"Stell dir vor, es sind Wahlen, und keiner geht hin" - so muss sich gerade Valérie Moreau fühlen. Nein, das ist keine Politikerin der PS. Moureau ist Leiterin des Wahlkreises Soignes-La Louvière. Moreau durfte bei der RTBF im Fernsehen darüber klagen, wie schwierig es ist, genügend Wahlhelfer zu bekommen, damit die Wahlbüros am Sonntag richtig funktionieren.
Das Desinteresse an den Wahlen sei wahnsinnig groß, sagte Moureau. Und auch die Krankschreibungen der Wähler würden neue Rekorde brechen. Die Briefkästen mit Krankschreibungen würden überlaufen. "Ich bin wirklich schockiert, dass es Ärzte gibt, die ihren Patienten einen Monat vor den Wahlen bescheinigen, dass der Patient am 9. Juni krank sein wird, aber am 10. Juni wieder arbeiten gehen kann. Das kann doch nicht sein. So kann das nicht laufen."
Wahlen in New York
In New York dagegen scheint die Begeisterung für die Wahlen groß zu sein. Für die Föderalwahlen versteht sich. Denn für die Regionen und Sprachgemeinschaften dürfen die Auslands-Belgier dort nicht wählen.
Amerikanisch-locker, so legt es ein Bericht der VRT dar, konnten sich die New Yorker Belgier auf der Straße registrieren lassen, bevor sie dann mit dem Aufzug in den 41. Stock eines Wolkenkratzers fuhren, wo das belgische Generalkonsulat im Manhattan liegt. Rund 600 New-York Belgier gaben dort ihre Stimme direkt ab. Wie viele zuvor schon die Briefwahl genutzt hatten, ist bislang unbekannt.
Kay Wagner