Den Christdemokraten war nach und nach ihre ursprüngliche Basis weggebröckelt. 2019 fuhr die CDH, die ihrerseits ja 2002 aus der frankophonen PSC hervorgegangen war, der Christlich-Sozialen Partei, ein historisch schlechtes Wahlergebnis ein. Daraufhin entschieden sich die Zentrumshumanisten für eine Radikalkur.
Man habe damals die Botschaft der Wähler akzeptiert, so der Vorsitzende von Les Engagés, Maxime Prévot, und sei in die Opposition gegangen. Und zwar auf allen Ebenen. Es folgte ein grundlegender Umbau der CDH, nicht nur namenstechnisch, sondern auch programmatisch und sicher nicht zuletzt auch personell.
Unter anderem brachen Les Engagés bewusst mit ihren christlichen Wurzeln – im Gegensatz zu ihrer flämischen Schwesterpartei CD&V. Maxime Prévot gelang es auch, starke, neue Köpfe anzuziehen. Darunter nicht nur viele bekannte Gesichter aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft, sondern auch ein echtes politisches Schwergewicht – Jean-Luc Crucke, seines Zeichens ehemaliger wallonischer MR-Finanzminister. Der populäre Politiker wechselte Anfang letzten Jahres nach einem lange schwelenden Konflikt mit MR-Parteichef Georges-Louis Bouchez zu Les Engagés.
Laut Umfragen hat sich all das auch gelohnt: Zumindest in der Wallonie können sich Les Engagés einer stetig steigenden Beliebtheit erfreuen. Sie könnten zur drittgrößten Partei werden nach MR und PS – und damit zum Königsmacher bei den Regierungsverhandlungen.
Les Engagés profitieren dabei von der Polarisierung des politischen Spektrums: Die MR ist deutlich nach rechts gerückt, die PS nach links. Letzteres gilt auch für Ecolo, die der CDH bei der letzten Wahl viele Wähler abluchsen konnten. Les Engagés haben das politische Zentrum also ziemlich für sich.
Er halte nichts von der Almosenpolitik der Linken, vom Dogmatismus der Grünen und vom Konservatismus der Liberalen, stellt Prévot klar. Les Engagés wollen nach eigener Aussage die Wähler ansprechen, die die Nase voll haben von der immer stärkeren Polarisierung, von den ständigen Kabbeleien in den Regierungen, von auf Krawall gebürsteten Parteivorsitzenden. Stattdessen will die Partei für Nuancierung und Kompromisse, für eine glaubwürdigere und effizientere Politik eintreten.
Les Engagés stelle ein neues, autonomes politisches Angebot im Zentrum dar. Und Belgien habe dringend eine starke Achse der politischen Mitte nötig, appelliert Prévot. Eine Achse, bei der für Les Engagés natürlich die CD&V nicht fehlen darf. Aber grundsätzlich will Prévot kein politisches Szenario ausschließen – außer mit den Rechtsextremen vom Vlaams Belang und den Linksextremen von der PTB.
Wahlprogrammtechnisch finden sich bei Les Engagés sowohl eher rechte als auch eher linke Punkte: So wollen auch "Die Engagierten", dass sich Arbeiten wieder mehr lohnt und einen größeren finanziellen Unterschied zwischen Arbeiten und Sozialhilfe beziehungsweise Arbeitslosengeld empfangen.
Das soll unter anderem durch eine Arbeitsprämie in Höhe von 450 Euro pro Monat erreicht werden. Die Dauer der Arbeitslosenbezüge soll auf höchstens zwei Jahre begrenzt werden. Dafür sollen diese Bezüge aber deutlich erhöht werden, um eine berufliche Neuorientierung zu erleichtern. Und Les Engagés wollen auch ein "Recht auf Arbeit", sprich, dass der Staat Arbeitssuchenden einen Job anbietet, wenn sie selbst nach den zwei Jahren noch keinen gefunden haben.
Steuertechnisch sticht vor allem die Forderung nach der Abschaffung der Erbschaftssteuer hervor. Les Engagés argumentieren, dass die Reichen diese Steuer ohnehin umgehen, sie also nur mittlere und niedrige Einkommen treffe und damit mehr als ungerecht sei. Vermögen müssten anders besteuert werden. Die Partei will auch die Steuern auf die Arbeit senken, eine Kapitalertragssteuer einführen und das Kindergeld erhöhen.
Einen kompletten Ausstieg aus der Atomenergie lehnen Les Engagés ab, aber sie treten trotzdem für einen entschiedenen Kampf gegen den Klimawandel ein.
Außerdem fordern sie deutlich mehr Mittel für Polizei, Justiz und das Gesundheitswesen. Bei letzterem Punkt will die Partei vor allem, dass viel stärker als bisher auf Prävention in den unterschiedlichsten Formen gesetzt wird. Frei nach dem Motto: Krankheiten und Unfälle vermeiden sei der beste Weg, um die Kosten des Gesundheitssystems zu senken.
2024 werde das Jahr von Les Engagés werden, verspricht der Parteipräsident. Und gemeinsam werde man, so wie es der Wahlslogan auch sagt, den "Mut zur Veränderung haben".
Boris Schmidt