Freie und faire Wahlen sind ein Grundprinzip jeder Demokratie. Das macht sie aber auch zu einem verlockenden Ziel für zum Beispiel ausländische autoritäre Regime. Denn eines der Ziele solcher Mächte ist ja immer, die Demokratie zu untergraben beziehungsweise von innen zu zerstören.
Eine der beliebtesten Taktiken ist dabei das Säen von Zweifeln an der Legitimität der Wahlprozesse – und damit an den Institutionen, die darauf aufbauen, wie beispielsweise Regierungen. Deshalb werden auch immer bestimmte Narrative gepusht. Ein ganz klassisches Beispiel dafür ist der Begriff "gestohlene Wahlen". Dieser Begriff suggeriert, dass ein Wahlbetrug stattgefunden hat, der "wahre" Wille der Wähler also ignoriert wird.
Man sehe in den Sozialen Medien von einschlägigen Accounts Inhalte über Betrug mit Stimmzetteln, bestätigt ein Analyst des "Cyber Command" der Armee gegenüber der VRT. Das Cyber Command überwacht seit Monaten, was sich im Internet tut rund um die Wahlen – und hat eine deutliche Zunahme von Desinformation festgestellt.
Das sei natürlich keine Überraschung, betont der Analyst. Ausländische Mächte steckten viel Zeit und Energie in solche Kampagnen. Denn damit könnten sie die Gesellschaft spalten und Chaos säen. Das bestätigt auch Oberst Pierre Ciparisse vom Cyber Command. Die Versuche ausländischer Mächte, Einfluss zu nehmen und für Polarisierung zu sorgen, hätten Folgen. Und zwar Folgen, die sich nicht nur auf die Sozialen Netzwerke beschränkten.
Die Geheimdienste und Sicherheitsbehörden des Landes haben vor allem zwei Stoßrichtungen festgestellt: die Europawahlen und in deutlich geringerem Maß die Föderalwahlen. Bezüglich der Europawahlen werden in den Sozialen Medien beispielsweise unzählige Posts verbreitet, die die Menschen überzeugen wollen, dass Wählen Zeitverschwendung ist und sowieso nichts bringt, weil alles von vornherein abgekartet sei. Eine andere häufig verbreitete Falschmeldung ist, dass die Polizei Wahlbetrug festgestellt habe und deswegen hohe EU-Funktionäre verhaftet habe.
Hierbei gehe es nicht nur um die Verbreitung falscher Informationen, sondern auch um das Schüren von Gefühlen gegen Europa und das sogenannte Establishment im Allgemeinen. Was die Föderalwahlen betrifft, so würden vor allem Zweifel und Gerüchte über das Wahlsystem an sich gesät, teilt das Nationale Krisenzentrum mit.
Aber die Behörden seien schon seit Monaten mit der Überprüfung und Absicherung der Wahlsysteme beschäftigt, so Koen Schuyten, Sprecher des Innenministeriums. Die Wahlcomputer würden etwa auch zwischen den Wahlen regelmäßig kontrolliert und noch einmal, wenn sie in den Wahlbüros installiert würden.
Ein Cyberangriff auf die Wahlcomputer am Wahltag sei auch nicht möglich, weil die Rechner nicht mit dem Internet verbunden seien. Und da die Computer keine Festplatten hätten, sei es auch nicht möglich Viren oder ähnliches zu installieren.
Auch die Papierwahl werde mit diversen Schutzmechanismen abgesichert, unter anderem durch die Verwendung von Spezialpapier und Wasserzeichen. Ganz zu schweigen von zahlreichen Kontrollen und anderen Schutzvorkehrungen. In dieser Hinsicht müssten sich die Bürger also keine Sorgen machen, so das Innenministerium sinngemäß.
Viel wichtiger sei, dass sich die Menschen der Gefahr der Desinformation bewusst seien, gerade vor Wahlen. Es sei essenziell, insbesondere in den Sozialen Medien, jede Information und ihre Quellen kritisch zu hinterfragen und im Zweifelsfall bei zuverlässigen Quellen zu kontrollieren.
Das Nationale Krisenzentrum stellt auf seiner Homepage auch in deutscher Sprache Tipps zum Umgang mit Desinformation zur Verfügung.
Boris Schmidt