Es scheint, als ob sich die Geschichte für die grünen Parteien in Belgien wiederholen sollte. Aktuell ist es erst das zweite Mal überhaupt, dass sie an einer Regierung auf föderaler Ebene beteiligt sind. Das erste Mal, als dies der Fall war, nämlich zwischen 1999 und 2003, bezahlten das die Grünen mit einer krachenden Niederlage bei den nächsten Wahlen. Seitdem blieben sie föderal immer in der Opposition.
Das änderte sich erst wieder im Oktober 2020, als sie die Arbeit innerhalb der aktuellen Regierung mit aufnahmen. Mit dem Ergebnis, dass ihnen wohl wieder ein Debakel bei den Wahlen in knapp zwei Wochen bevorsteht. Die Zahlen aus der jüngsten Umfrage, die am Samstag in der Zeitung Le Soir veröffentlicht wurde, sind deutlich: In der Wallonie sackt Ecolo von knapp 15 Prozent bei den vergangenen Wahlen auf knapp neun Prozent ab. In Brüssel geht's von 21,6 auf 12,5 Prozent runter.
Da ist es wohl nur wenig tröstlich zu hören, wie Caroline Sägesser vom sozio-politischen Forschungs- und Informationszentrum Crisp diesen Einbruch am Montag bei der RTBF kommentierte. "Das sind Verluste", sagte Sägesser, "die geringer ausfallen als bei ihrer Regierungsbeteiligung 1999. 2003 haben sie dann mehr als 60 Prozent ihrer Stimmen eingebüßt."
Für Flandern sagen die Umfragen nichts anderes voraus. Von knapp zehn Prozent soll es laut Umfragen runter gehen auf 6,6 Prozent. Mancherorts geht es sogar darum, ob die Grünen überhaupt die Fünfprozenthürde knacken, berichtete Jura-Professor Rik Torfs von der Universität Löwen ebenfalls am Montagvormittag in der RTBF.
Bei der Suche nach Gründen für diese Ohrfeige der Wähler brauchten beide Beobachter nicht lange zu suchen. Professor Torfs macht die großen Prinzipen dafür verantwortlich, die bei den Grünen immer eine Rolle spielten. Konfrontiert mit den realen Zwängen der Politik sei es schwer, diese aufrecht zu erhalten.
Gerade die Entscheidung, den eigentlich schon beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie in Belgien doch wieder umzukehren, ist ein gutes Beispiel für diese Behauptung. Zumal diese Entscheidung auch noch von einer grünen Ministerin getragen wurde.
Crisp-Forscherin Sägesser sieht noch andere Gründe für den großen Popularitätsverlust. Die anderen Parteien würden nämlich die Grünen gerne als Sündenbock für das darstellen, was bei ihnen selbst nicht rund laufen würde. Bestes Beispiel dafür sei die Brüsseler Verkehrspolitik, die Entscheidung, dem Fahrrad in Brüssel immer mehr Platz zu geben und dafür den Autoverkehr spürbar zu beschneiden. Das sei eine Idee vor allem der Sozialisten gewesen. Jetzt im Wahlkampf schieben die Sozialisten alle Probleme, die es mit dieser Verkehrspolitik gibt, den Grünen in die Schuhe.
Letztlich würde sich auch der Wahlkampf nicht um Themen drehen, bei denen sich die grünen Parteien besonders profilieren könnten. "Denn Themen, die etwas mit Umwelt und der Energiewende zu tun haben, spielen wirklich kaum eine Rolle", sagte Sägesser.
Wie deutlich die Niederlage am Wahltag aussehen wird, muss sich erst noch zeigen. Aber dass die Niederlage kommt, scheint schon festzustehen. Grund zum Jubeln werden die Grünen am Abend des 9. Juni aller Voraussicht nach nicht haben.
Kay Wagner