"Das hatte gerade noch gefehlt", wird sich wohl der eine oder die andere gesagt haben. Kurz vor der Wahl droht schon wieder Ärger für Photovoltaik-Nutzer in der Wallonie. Das Unheil kommt diesmal aus dem Norden des Landes. Die flämische Umweltministerin Zuhal Demir hat nämlich vor dem Staatsrat gegen die in der Wallonie bestehende Regelung geklagt. Eine flämische Ministerin, die eine wallonische Verordnung vor dem höchsten Verwaltungsgericht des Landes anfechtet? Was ist das los?
Es geht bei alledem um das, was man hierzulande den "zurückdrehenden" Zähler nennt. Der Begriff ist eigentlich deutlich. Kurz und knapp: Wer Sonnenpaneele auf dem Dach hat, der produziert Strom. Und was er davon nicht selbst verbraucht, das wird ins Netz eingespeist. Der Strom fließt also gewissermaßen in die andere Richtung; also wird der Stromzähler zurückgedreht und dadurch wird die Stromrechnung gesenkt. Wenn's auch nicht ganz so einfach ist, im Prinzip läuft's darauf hinaus.
In Flandern gab's auch schon mal eine solche Regelung. Die wurde aber infolge eines Konflikts mit dem Föderalstaat vom Verfassungsgerichtshof 2021 gekippt. Ergo: Im Norden des Landes ist der "zurückdrehende Zähler" Geschichte. Doch, was musste man feststellen? Eben dieses Prinzip wurde gerade noch von der Wallonischen Regionalregierung ein letztes Mal verlängert. Für alle PV-Anlagen, die bis Ende 2023 zertifiziert wurden, gilt diese Regelung noch bis 2030.
"Warum dürfen die Wallonen, was man uns verboten hat?", fragt sich also die flämische Umweltministerin. Und diese Frage soll der Staatsrat jetzt eben für sie beantworten. Damit verbunden ist dann freilich die Gefahr, dass der Staatsrat eben entscheidet, dass die wallonische Regelung nicht rechtens ist und eben auch gekippt werden muss.
Er sei denn auch schockiert, sagte der wallonische Wirtschaftsminister Willy Borsus in der RTBF. Schockiert darüber, dass die flämische Umweltministerin einen Angriff auf 360.000 wallonische Haushalte startet, die eine Photovoltaik-Anlage installiert haben. Zugleich sei er aber fest entschlossen, die Verbraucher vor einem möglichen Ende des zurückdrehenden Zählers zu bewahren.
Aber wie realistisch können denn hier die Erfolgsaussichten sein?, fragt man sich. Wenn der "zurückdrehende Zähler" in Flandern gekippt wurde, warum sollte die Wallonie das Prinzip beibehalten dürfen? Nun, so sagt Willy Borsus: Die Akten seien zwar ähnlich, aber dann doch nicht gleich gelagert.
Ein sichtbarer Unterschied ist die Instanz, die mit der Akte befasst ist. In Flandern war es der Verfassungsgerichtshof, der dem "zurückdrehenden Zähler" den Garaus gemacht hat; im Fall der wallonischen Regelung wird der Staatsrat entscheiden. Ob das allerdings wirklich viel ändern wird, das sei dahingestellt. Denn wie sagte es auch schon die flämische Umweltministerin Zuhal Demir: "Die Verfassung gelte schließlich für alle". Da ist es fast schon ironisch, dass Demir mit der N-VA einer Partei angehört, die eigentlich nichts lieber täte, als das Land zu spalten.
Aber apropos Ironie: Bekanntgegeben hat die flämische Umweltministerin ihre Klage ausgerechnet an dem Tag, an dem die N-VA ihre wallonischen Wahllisten vorgestellt hat. Die flämischen Nationalisten wollen ja am 9. Juni auch in den wallonischen Bezirken antreten, also entsprechend auch für die Interessen der Bürger im Süden des Landes eintreten. Dass man quasi am selben Tag einen Angriff auf die Wallonen startet, das sei dann doch paradox, sagte Borsus. Hier gehe es schließlich um 360.000 wallonische Haushalte, also rund 900.000 Menschen. "Das ist dann doch eine schallende Ohrfeige", sagt Borsus.
Nach dem Hickhack um das Autobahnkreuz Léonard, bei dem die Frankophonen den Flamen - grob gesagt - bösen Willen unterstellen, gibt's jetzt also gleich den nächsten Konflikt, der im Übrigen auch wieder vor einem Gericht ausgetragen wird. Beiden Seiten fällt es augenscheinlich immer schwerer, einfach nur mal miteinander zu reden.
Roger Pint
Die "Umwelt"ministerin möchte also lieber die Elektrokonzerne reich machen? Das motiviert nur die Stromverschwendung. Man erkläre mir das...
Die Umweltministerin moechte, dass die Regionen gleich behandelt werden vor dem Gesetz. Das ist der einzige Grund.
Herr Ralf Zillis.
Immer wieder arbeiten Politiker an Gesetze,die Stromkonzerne mehr Gewinn bringen. Für uns Normalbürger haben die doch kein Interesse. Wir sind nur da um sie zu wählen. Einmal an die Macht, und schon wieder werden wir zerquetscht, wie lästige Parasiten.
Bei der nächsten Akku Generation ist dann eh Schluss. Dann kann Ores und Elektrabel mal schön in die Röhre gucken. Ich würde ja sagen der Staat auch aber dem fällt bestimmt was ein wie er das wieder rein holt.
Nicht unbedingt, Herr Schmidt! Kurz vor den Wahlen bereitet es einer Spitzenpolitikerin der (zweit?)größten flämischen Partei sicherlich Spaß, der führenden wallonischen Partei Knüppel zwischen die Beine zu werfen… Nach dem beliebten Motto « jeder gegen jeden » wird man/frau es schon schaffen, den Niedergang Belgiens zu beschleunigen.