Die belgische Ratspräsidentschaft bei der EU scheint ein guter Moment zu sein, um den Königen des Landes eine Rede im Europaparlament zu organisieren. Am Mittwoch konnte König Philippe im Rahmen der aktuellen EU-Ratspräsidentschaft vor den Abgeordneten reden. Auch 1987 hatte Belgien den Ratsvorsitz inne, als König Baudouin am 8. April an das Pult des Plenums des Europaparlaments in Straßburg trat.
König Philippe macht Europaparlament Mut beim Blick auf die Zukunft
Das befand sich damals noch in dem Gebäude, in dem heute der Europarat tagt. Die Zeit war eine ganz andere. Die EU hieß damals noch EG - Europäische Gemeinschaft. Wenige Tage zuvor hatte die EG den 30. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge gefeiert - quasi den Gründungsakt der EG. Deshalb begann Baudouin seine Rede auch mit diesem Ereignis und stellte es als entscheidendes Ereignis für die Geschichte dar.
Doch ähnlich wie Philippe am Mittwoch den Blick nach vorn für die EU in den Mittelpunkt seiner Rede gestellt hatte, so machte auch Baudouin damals deutlich, dass die EG sich weiterentwickeln müsse. "Dieser einmalige Akt muss wie ein Zwischenschritt gesehen werden auf dem Weg zu einer wahren Europäischen Union", sagte der König zu den Römischen Verträgen.
Vier Aktionsfelder
Ähnlich wie Philippe am Mittwoch die Aufgaben für die Union skizzierte, an denen es in den kommenden Jahren zu arbeiten gilt, machte das auch Baudouin vor fast genau 37 Jahren. Der Zeit geschuldet waren die Prioritäten andere als heute. Vier Aktionsfelder waren Baudouin besonders wichtig. Als erstes nannte er die Wissenschaft und die schnelle Entwicklung, mit der technische Neuerungen den Alltag damals veränderten. Im Jahr zuvor hatte die EG das allererste gemeinsame Forschungsprogramm aufgelegt. Die Kommunikationstechnologie war erst am Entstehen. Baudouin mahnte diese verantwortungsvoll gemeinsam weiter zu entwickeln.
Als zweiten Punkt nannte der König das Aktionsfeld Arbeit, geißelte Arbeitslosigkeit als Missstand, den die Mitgliedsländer unbedingt bekämpfen sollten - ein großes Thema damals in der EG, besonders in Großbritannien.
Die demographische Entwicklung war das dritte Feld, für das Baudouin Aktionen der EG forderte. Schon damals verwies er darauf, dass die Gesellschaft immer älter werde, man Vorsorge für die Folgen treffen müsse, damit das Leben auch für junge Menschen in Zukunft lebenswert bleibe.
Erasmus-Programm
Der Öffnung Europas für die Jugend widmete Baudouin schließlich seinen vierten Redepunkt. Gut zwei Monate nach der Rede sollte das Erasmus-Programm in der EG starten. Baudouin setzte darin große Hoffnungen, um "unserer Jugend den Austausch über nationale Grenzen hinweg zu ermöglichen und zu fördern, sodass die jungen Menschen in anderen Ländern studieren können".
Vielleicht war es deshalb kein Zufall, dass auch Philippe am Mittwoch seine Rede mit dem Blick auf die Jugend beendete und quasi die positive Leistung der EU-Staaten bei der Umsetzung des Erasmus-Programms - und damit auch des Wunsches von Baudouin aus seiner Rede von 1987 - bilanzierte. "In unserer Union gibt es bislang ungekannte Möglichkeiten, über unsere eigenen Grenzen zu schauen, um andere Sichtweisen zu verstehen und neue Erfahrungen zu machen. Dank des Erasmus-Programms empfängt Belgien jedes Jahr 20.000 Studenten und gleichzeitig gehen ebenfalls 20.000 Belgier ins Ausland."
Kay Wagner