Zunächst gab es die Proteste der Studenten. Am Mittwoch hatten rund 250 von ihnen in Brüssel demonstriert. Sie befürchten, dass bis zu 70.000 Studenten im Herbst ihr Studium nicht mehr weiterführen können. Diese 70.000 Studenten hätten dann nämlich nicht die ausreichende Zahl an Kreditpunkten aus bestandenen Kursen vorzuweisen, die nach den neuen Regeln nötig sind. Deshalb würden die Hochschulen dann kein Geld mehr für diese Studenten bekommen, was quasi den Ausschluss der Studenten von ihrem Studium bedeuten würde.
250 Studenten, die protestieren - das ist zunächst noch nicht sehr viel. Unter ihnen konnte man aber auch zwei PS-Politiker entdecken, die Abgeordnete im Parlament der Französischsprachigen Gemeinschaft sind. Dort wurden die neuen Regel 2021 verabschiedet - mit den Stimmen der PS. PS-Politiker auf einer Demo gegen ein Dekret, das die PS selbst mitverabschiedet hatte - da konnte man schon ahnen, dass sich etwas zusammenbraut.
Letztlich waren es aber die Grünen von Ecolo, die sich als Erste am Mittwoch klar aus der Deckung wagten. Auch Ecolo hatte 2021 für die Änderungen gestimmt. Dass Ecolo jetzt die Rücknahme der Änderungen fordert, sei nicht verwunderlich, sagte am Donnerstag die Ecolo-Co-Vorsitzenden Rajae Maouane im Fernsehen der RTBF. "Wir hatten verlangt, dass uns genaue Zahlen vorgelegt werden über die Auswirkungen der neuen Regel. Diese Zahlen sind lange nicht gekommen. Wir hatten natürlich Bedenken und hatten von vornherein betont, vor allem die Studentinnen und Studenten mit wenig Geld schützen zu wollen. Jetzt gibt es Zahlen, und diese Zahlen geben uns leider Recht. Und deshalb möchten wir jetzt, dass das Dekret verändert oder zurückgenommen wird."
Auch die PS führt jetzt die Zahl von 70.000 Studenten an, die um ihr Studium bangen müssen, um sich der Forderung der Studenten anzuschließen. Ein paar Stunden nach Ecolo ließen auch sie die Katze noch Mittwochabend aus dem Sack. "Ich habe gedacht, dass man die politischen Spielchen sein lässt, wenn man über die Zukunft unserer jungen Menschen spricht", sagte Martin Casier, der mit den Studenten demonstriert hatte.
"Wir machen so etwas zumindest nicht. Das wäre dann der Fall, wenn die PS jetzt plötzlich wie aus dem Nichts mit dieser Frage käme. Das ist nicht der Fall. Seit zweieinhalb Jahren beschäftigen wir uns damit. Wir haben bei der Ministerin nachgefragt. Wir haben gewarnt: Geben Sie Acht, für uns ist das wichtig. Die Entwicklung muss unbedingt beobachtet werden. Das ist nie gemacht worden."
Keine politischen Spielchen - das kann man natürlich auch anders sehen. Ein Journalist der RTBF überlegte am Donnerstag laut im Radio, dass Ecolo und PS bewusst auf die Forderungen der jungen Menschen eingehen, um sich bei ihnen beliebt zu machen. Kurz vor den Wahlen 70.000 junge Menschen gegen sich aufzubringen - 70.000 plus deren Familien und Angehörige, das Geschenk wolle man der Opposition nicht machen.
Die MR hingegen, die in der Regierung die Ministerin für Hochschulpolitik stellt, bleibt zunächst bei ihrer Haltung: Sie will von der neuen Regel nicht abweichen. Zumindest bislang noch nicht.
Und die Opposition im Parlament der Französischen Gemeinschaft reibt sich die Hände. PTB und Les Engagés haben schon verlauten lassen, dass sie für eine Wechselmehrheit zu haben seien. Das würde bedeuten, dass Ecolo und PS gemeinsam mit PTB und Les Engagés gegen den Koalitionspartner MR stimmen könnten. Nächste Woche kommt das Parlament zu seiner nächsten Sitzung zusammen.
Kay Wagner
Natürlich ist das Wahlkampf. Das sieht doch jeder.