Keine Frage, alle Drogen, die beschlagnahmt werden können, können nicht mehr auf den Markt gelangen. Im Zweifelsfall sind Rekordfunde also erst einmal eine gute Nachricht. Aber es ist auch ein zweischneidiges Schwert, wie die nationale Drogenkommissarin Ine Van Wymersch in der VRT-Sendung Terzake erklärt. Die Zahlen seien schwierig zu interpretieren und die Behörden wüssten auch einfach nicht, wie viel der Drogen sie tatsächlich erwischten. In dem Sinne habe sie auch zwiespältige Gefühle beziehungsweise stelle sich schon die Frage, ob man erfreut sein solle angesichts der Rekord-Beschlagnahmungen, oder doch eher alarmiert, weil das eben auch zeige, welche Riesenmengen an Kokain ins Land strömten.
Fakt sei aber, dass sich die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch mit den Herkunftsländern der Drogen verbessert habe, betont die Drogenkommissarin. Das erlaube, sogenannte "Risiko-Container" besser zu identifizieren und so gezielter nach Drogen suchen zu können. Das ist angesichts der enorm großen Anzahl an Containern, die in belgischen Häfen ankommen, auch sehr wichtig. Denn aktuell können gerade einmal etwa ein bis zwei Prozent aller Container wirklich durchleuchtet werden. Alles, was die Erfolgschancen erhöht, die "richtigen" Container für Kontrollen auszuwählen, hilft also. Das Gleiche gilt auch für jeden technischen Fortschritt, der die Durchsuchungen vereinfacht oder beschleunigt. Stichwort mobile Scanner oder auch eine bessere Überwachung der Container vor und während des Transports.
Wettrüsten mit den Kriminellen
Aber es ist und bleibt natürlich auch ein ständiges Wettrüsten mit den Kriminellen. Weil die Kontrollen in den großen belgischen Häfen immer strenger werden, weichen sie zum Beispiel mittlerweile auf kleinere, schlechter gesicherte Häfen aus, auch im benachbarten Ausland.
Außerdem werden die Drogenschmuggler auch immer kreativer, was das Verstecken und Entladen der Drogen angeht. Das gilt auch für die Routen, die sie nehmen. So ist beispielsweise eine deutliche Zunahme von Kokainschmuggel aus Häfen in Westafrika zu verzeichnen. Das sei aber nur eine Art Ablenkungsmanöver, unterstreicht Van Wymersch. Es werde vorgetäuscht, dass die Container aus Westafrika stammten, damit sie unter dem Radar der Behörden blieben. Aber das Kokain komme natürlich weiter aus den gleichen Ursprungsländern. Den Behörden sei diese Masche aber bekannt und werde bei der Risikoanalyse der Container berücksichtigt.
Mehr Kokain als je zuvor
Bei diesem ständigen Katz-und-Maus-Spiel sind die Karten zudem sehr ungleich verteilt: Nicht nur, dass die Kriminellen skrupellos und zu allem entschlossen sind, sie haben auch eine schier unerschöpfliche Kriegskasse, wie Antwerpens Bürgermeister Bart De Wever unterstreicht. Über den Antwerpener Hafen ströme Kokain mit einem Mindestwert von 20 Milliarden Euro nach Europa. Justiz und föderale Polizei kämen zusammen noch nicht einmal auf die Hälfte dieses Budgets. Sprich der Drogenmafia stehe auch mehr als genug Geld zur Verfügung, um Menschen auf allen Ebenen und bei allen Einrichtungen zu korrumpieren - inklusive der Sicherheitsbehörden.
Es werde auch mehr Kokain als je zuvor produziert in den südamerikanischen Herkunftsländern. Das lande dann immer häufiger auf dem europäischen Markt. Denn der europäische Markt sei für die Drogenbarone lukrativer, so De Wever. Außerdem drohten den Kriminellen hier auch weniger strenge Strafen. Auch das mache Europa für die Verbrechersyndikate attraktiver. Anders gesagt: Der Kampf gegen den Drogenschmuggel ist und bleibt ein Marathon mit sehr ungewissem Ausgang.
Boris Schmidt