Romane oder Filme über Kunstraube haben das Publikum schon immer fasziniert. Oft sind es - wie im Film "Die Thomas Crown Affäre"- perfekte Gentlemen, die sich bei Nacht und Nebel auf sehr gekonnte Art und Weise Zugang zu angeblich perfekt gesicherten Ausstellungsräumen verschaffen und sich dann heimlich, still und leise mit einem wertvollen Meisterwerk davonstehlen.
Nicht immer ist das nur reine Fiktion. Im Februar 2010 brechen Diebe in eine Privatwohnung in Tel Aviv in Israel ein. Die in einem schicken Vorort gelegene Luxusvilla gehört einem bekannten Kunstsammler und ist entsprechend gut gesichert. Und doch gelingt es den Tätern, die ausgeklügelte Alarmanlage auszuschalten und dann auch den Safe zu knacken. Profis also. In dem Tresor finden sie Juwelen im Wert von knapp 700.000 Dollar und auch zwei Gemälde: das Bild "Head" von Pablo Picasso und das Bild "L'homme en prière" von Marc Chagall. Die Diebe wussten genau, wonach sie suchten, denn die zahlreichen anderen Kunstwerke in dem Haus rühren sie nicht an. Mit ihrer Beute unterm Arm verschwinden sie, wie sie gekommen waren. Der Wert beider Gemälde wurde damals auf rund 900.000 Dollar geschätzt.
Zwar startete die israelische Polizei seinerzeit gleich eine großangelegte Suche nach den Kunstschätzen, um zu verhindern, dass sie außer Landes geschafft werden konnten. Der Picasso und der Chagall blieben aber verschwunden.
Namur, Ende 2022: Zwölf Jahre sind inzwischen seit dem Raub in Tel Aviv vergangen, als die Kriminalpolizei in der wallonischen Hauptstadt Wind davon bekommt, dass ein Mann aus Namur einen Picasso und einen Chagall zum Kauf anbietet. Bei dem Verdächtigen handelt es sich um den 68-jährigen Daniel Z., einen israelischen Staatsbürger, der mit Luxusartikeln handelt. Die Polizei beginnt den Mann zu observieren. Monatelang heften sich Ermittler an seine Fersen, bis man genug Material gesammelt hat.
Am Mittwoch vergangener Woche führt die Polizei zwei Hausdurchsuchungen durch, unter anderem in der Wohnung, die Daniel Z. zusammen mit seiner Partnerin in Namur bewohnt. Die Gemälde seien dabei nicht gefunden worden, sagte Vincent Colson, Sprecher der Staatsanwaltschaft Namur, in der VRT. Immerhin habe der Verdächtige aber zugegeben, dass sich die beiden Bilder in seinem Besitz befinden. Nur wollte er eben nicht sagen, wo er sie aufbewahrt.
Doch die Polizei lässt nicht locker. Weil man Daniel Z. so lange observiert hatte, kannte man dessen Gewohnheiten und auch seine Biografie sehr genau. So wusste man auch, dass er früher eine Zeitlang in Antwerpen gewohnt hatte.
Was dann passiert, das konnte die Zeitung Het Nieuwsblad rekonstruieren. Demnach war es so: Am vergangenen Freitag klingeln Beamte der Kriminalpolizei Namur in Antwerpen mitten im jüdischen Viertel an einer Wohnungstür. Der Hausmeister öffnet. Dessen Wohnung wird durchsucht; die Ermittler finden aber nichts. Als dann der Name des Verdächtigen fällt, geht dem Hausmeister ein Licht auf. Daniel Z. hatte hier nämlich früher mal gewohnt. Der Hausmeister führt die Polizisten in eine Garage, er öffnet eine unscheinbare weiße Tür und zeigt den Beamten zwei Holzkisten. Und darin befinden sich dann tatsächlich die beiden Gemälde, die vor fast 14 Jahren in Tel Aviv gestohlen wurden. Dieser Fahndungserfolg war nur möglich dank der akribischen Recherchen der Namurer Kriminalpolizei, lobt Justizsprecher Vincent Colson.
Da waren sie also, die beiden Gemälde: der Picasso und der Chagall - beide in perfektem Zustand. Sie befanden sich sogar noch in den Originalkisten, in denen sie ursprünglich verpackt waren. "Es ist doch eher selten, dass man gestohlene Kunstschätze wiederfindet, und dann auch noch in gutem Zustand", sagte in der VRT der Kunstexperte und Auktionshausbetreiber Peter Bernaerts. "Hinzu kommt dann auch noch, dass der Fahndung nach gestohlenen Kunstwerken bei der belgischen Polizei keine Priorität eingeräumt wird. Umso größer das Lob und die Anerkennung für den Erfolg der Kriminalpolizei in Namur.
Der zuständige Untersuchungsrichter in Namur hat Haftbefehl gegen den Verdächtigen und auch seine Lebensgefährtin erlassen. Ob Daniel Z. auch an dem eigentlichen Diebstahl beteiligt war, das ist noch unklar. Deswegen wird den beiden bislang lediglich Hehlerei zur Last gelegt.
Roger Pint