"Das Leben kann sich verändern." Das waren die ersten Worte von Gwendolyn Rutten als designierte neue flämische Ministerin für Innere Angelegenheiten. Auch den Rang der Vizeministerpräsidentin der flämischen Regierung hat sie von ihrem Vorgänger Bart Somers geerbt.
Somers war am Montag doch überraschend von seinem Regierungsamt zurückgetreten. Er wolle sich jetzt verstärkt auf seine Stadt konzentrieren, begründete er seinen Schritt. Bürgermeister von Mechelen war Somers in den letzten Jahren nur auf dem Papier. Jetzt wolle er aber wieder das Heft in die Hand nehmen. Und wer die Ambition habe, Bürgermeister einer Stadt wie Mechelen zu werden, der müsse da sehr viel Zeit und Energie investieren, sagte Somers. Eine Doppelbelastung Stadt-Region wäre denn auch nicht korrekt, nicht für Mechelen und auch nicht für die Region.
Elf Monate vor den Kommunalwahlen hat sich Bart Somers also entschieden. Doch wer übernimmt jetzt seine Rolle in der flämischen Regierung? Das war für ein paar Stunden die Frage aller Fragen in Flandern.
Überraschende Entscheidung
Die Antwort, die die Open VLD auf diese Frage gegeben hat, hat allerdings die allermeisten schon sehr überrascht, denn aus dem Hut gezaubert wurde keine geringere als eben Gwendolyn Rutten.
Für sich genommen kann sich diese Entscheidung eigentlich nur richtig anfühlen. Die 48-jährige Gwendolyn Rutten hat haufenweise Erfahrung. Jahrelang war sie als Kabinettschefin diverser Minister hinter den Kulissen aktiv. 2012 trat sie dann auf die große Bühne, wurde Open-VLD-Vorsitzende und damit eine der mächtigsten Frauen des Landes. Denn sie war es, die für ihre Partei an den diversen Verhandlungstischen über Regierungsbeteiligungen verhandelte. Hier machte sie sich auch schnell einen Namen: Nach der Wahl 2014 schaffte es Gwendolyn Rutten, die Open VLD in die flämische Regierung zu hieven, obgleich sie rein rechnerisch dafür gar nicht nötig war. Der Parteikollege Vincent Van Quickenborne nannte sie deswegen damals in der VRT "unsere Wundervorsitzende".
Auch nach der Wahl 2019 hat Rutten dann noch die Koalitionsabkommen auf föderaler und auch auf flämischer Ebene mit ausgehandelt. Als es dann aber um die Verteilung der Ministerposten ging, da tauchte ihr Name plötzlich nicht mehr auf. 2020 verließ sie auch die Parteispitze und blieb dann noch "einfache" Abgeordnete im flämischen Parlament.
Dann, vor knapp drei Wochen, kam der Rücktritt von Vincent Van Quickenborne. Mit Blick auf die Nachfolge kursierte schnell hartnäckig vor allem ein Name, eben der von Gwendolyn Rutten. Doch blieb sie am Ende außen vor. Neuer föderalen Justizminister wurde Paul Van Tigchelt.
Da muss Gwendolyn Rutten irgendwie die Hutschnur geplatzt sein. In einem außergewöhnlich giftigen Tweet übte sie scharfe Kritik an der Parteispitze, die es nicht einmal für nötig befunden habe, mit ihr zu reden. Deswegen ziehe sie jetzt ihre Konsequenzen und wolle sich künftig nur noch auf Aarschot konzentrieren, also ihre Heimatstadt. Und sie hatte anscheinend auch schon einige Weichen in diese Richtung gestellt. Sie sei tatsächlich schwer enttäuscht gewesen, gab Rutten zu. Und sie habe die Absicht gehabt, ins Unterrichtswesen zu wechseln, um neben ihrer Tätigkeit als Bürgermeisterin von Aarschot als Lehrerin zu arbeiten. Sie habe auch schon engagiert darauf hingearbeitet. Bis am Montagabend das Telefon klingelte.
"So spielt das Leben"
Resultat dieses Anrufes: Gwendolyn Rutten ist jetzt also flämische Vizeministerpräsidentin und damit die neue starke Frau der Open VLD in der flämischen Regierung. Doch tat sie sich am Dienstagabend bei einer Pressekonferenz auch sichtlich schwer damit, ihre Kehrtwende zu erklären. "So spielt das Leben", im Grunde ließen sich ihre Aussagen am Ende immer auf diese Lebensweisheit reduzieren. Wenn man die Dinge verändern will, und das wolle sie, sagte Rutten, nun dann müsse man eben seine Verantwortung übernehmen, wenn man darum gebeten wird.
Die doch schnelle Wiedergeburt der Gwendolyn Rutten hat auch für viel Kritik gesorgt. Wenn sie auch noch keine 50 ist, so kann ein bekanntes Gesicht wie Gwendolyn Rutten schwerlich für Erneuerung stehen. Genau das hatte sich aber ihr Vorgänger Bart Somers gewünscht: Er wollte nach eigenen Wort Platz für jüngere Talente machen. Hinzu kommt, dass ihre plötzliche Kehrtwende doch den Eindruck vermittelt, dass es ihr allein um einen Posten ging. Wenn ihre Qualitäten und Fähigkeiten auch unbestritten sind, so wird Gwendolyn Rutten dennoch auch eine Reihe von Kritikern erstmal überzeugen müssen.
Personalkarussell: Gwendolyn Rutten wird Vize-MP und Innenministerin in Flandern
Roger Pint
Die flämischen Liberalen tun der politischen Kultur momentan nicht gut.
Dies hier bestärkt das Bild des Politikers als Pöstchenjäger. Was ein Trauerspiel.