Für Putin sind bei seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine vor allem drei Punkte wichtig: Erstens muss er die westlichen Verbündeten dazu bringen, die Ukraine militärisch weniger zu unterstützen. Zweitens muss er den eigenen Waffen- und Munitionsnachschub sichern. Und sicher nicht zuletzt muss er darauf achten, dass seine Kriegskasse gefüllt bleibt.
Der Löwenanteil der russischen Einnahmen stammt dabei aus Erdöl- und Gasverkäufen. Es gibt aber auch noch andere wichtige Sektoren, darunter fällt zum Beispiel der russische Diamantensektor. Der Verkauf von Diamanten werde für Russland auch immer wichtiger, weil seine anderen Einnahmequellen stets stärker mit Sanktionen belegt würden, erklärte Hans Merket, Experte und Forscher des Instituts IPIS (International Peace Information Service) in Antwerpen, in der RTBF.
Russland sei der größte Diamantenproduzent der Welt, jeder dritte gehandelte Diamant komme von dort. Über 90 Prozent der russischen Diamanten stammten dabei von einer Unternehmensgruppe: Alrosa. Und Alrosa sei zu zwei Dritteln in staatlicher Hand. Von den fast vier Milliarden Euro Umsatz, die Alrosa im letzten Jahr gemacht habe, gingen also erhebliche Teile an den Kreml.
Das versucht der Westen natürlich zu unterbinden, aber die bisherigen Sanktionsversuche gegen den russischen Diamantensektor sind offensichtlich wenig erfolgreich. Im Vergleich zu vorher sei der Umsatz von Alrosa seit Beginn des Kriegs nur unwesentlich gesunken, bestätigt Merket.
Aus russischen werden indische Diamanten
Die Vereinigten Staaten, der größte Absatzmarkt für Diamanten, hätten zwar Sanktionen gegen russische Rohdiamanten verhängt. Aber wenn die russischen Rohdiamanten zum Beispiel in Indien geschliffen würden, würden sie beim amerikanischen Zoll als indische Diamanten deklariert.
Die bisherigen Sanktionen gegen Diamanten seien weitgehend wirkungslos, weil ein entscheidendes Werkzeug fehle: die Rückverfolgbarkeit. Durch Sanktionen schließe man sozusagen die Vordertüre für russische Diamanten. Aber um zu verhindern, dass sie dennoch durch Hintertürchen noch auf die westlichen Märkte gelängen, bräuchte es eben ein wirksames System zur Rückverfolgbarkeit und internationale Absprachen.
Nur wenn der gesamte Weg eines Diamanten von der Mine bis zum Endkunden lückenlos und fälschungssicher dokumentiert werde, könne man verhindern, dass die Herkunft sogenannter "Blutdiamanten" verschleiert werde, etwa auf Umwegen über die wichtigen Diamantendrehscheiben Dubai oder Indien.
Ein entsprechendes System zur Rückverfolgbarkeit müsse aber auch wirklich wasserdicht sein, betont Merket. Denn man könne absolut sicher sein, dass Russland und seine Handelspartner jede erdenkliche Schwachstelle ausnutzen würden.
Dritte Drehscheibe: Antwerpen
Neben Dubai und Indien gibt es aber bekanntermaßen noch eine dritte essenzielle Drehscheibe für den internationalen Handel mit Diamanten und das ist natürlich Antwerpen. Nicht umsonst richten sich die Augen der Welt deswegen immer auf Belgien, wenn die Sprache auf Sanktionen gegen Diamanten kommt.
Es stimme zwar, dass auch Antwerpen die Einführung eines Systems zur Rückverfolgbarkeit von Diamanten finanziell spüren werde, räumt der Experte ein. Aber andererseits habe Belgien auch die Vorteile eines solchen Vorgehens erkannt und setze sich deshalb dafür ein.
Als einzige große Diamantendrehscheibe im Westen könne Antwerpen den Zugang zu den G7-Märkten kontrollieren. Antwerpen könne sich so Marktanteile zurückholen, die es im letzten Jahrzehnt zum Beispiel an Dubai verloren habe. Das könne die Verluste durch das Importverbot für russische Diamanten wieder wettmachen, so Merket.
Boris Schmidt