Einen Schönheitspreis wird der Carpool-Parkplatz in Machelen bei Brüssel wohl nie gewinnen. Vom Lärm des direkt daneben liegenden Frachtbereichs des Brüsseler Flughafens mal ganz zu schweigen. Aber die zwei Kombis und ein schnelles Einsatzfahrzeug des Zolls sind auch nicht zum Vergnügen hier.
Die Beamten des Zolls sind dieses Mal vor allem auf der Suche nach "rotem Diesel". Es gehe darum, Fahrer zu erwischen, die illegal Diesel benutzten, auf den die Akzisen niedriger seien - die also billiger fahren wollten, erklärt der Leiter der Zoll- und Akzisenbehörde, Kristian Vanderwaeren, im Gespräch mit dem BRF.
Roter Diesel darf zum Beispiel legal in der Landwirtschaft eingesetzt werden, für industrielle und gewerbliche Zwecke, in der Schifffahrt und beim Zugverkehr - und natürlich auch zum Heizen. Aber eben explizit nicht im normalen Straßenverkehr. Dennoch ist die Verlockung für viele groß, denn der Preisunterschied ist beträchtlich, 70 Cent pro Liter beträgt der Preisunterschied zwischen diesem steuerbegünstigten Diesel und dem normalen "weißen" Diesel.
Zwei Arten des Betrugs
Klassischerweise gibt es dabei vor allem zwei Arten des Betrugs: Zum einen gibt es Fahrer, die sich aktiv und bewusst an legalen Zapfsäulen roten Diesel besorgen, um ihn gesetzeswidrig einzusetzen, zum Beispiel im eigenen Pkw. Dann gibt es aber auch noch bandenmäßig organisierte, kriminelle Organisationen, die roten Diesel als weißen Diesel an nichtsahnende Kunden verkaufen und die Preisdifferenz in die eigene Tasche stecken. Damit entgehen dem Staat natürlich Akzisen. Neben diesem finanziellen Aspekt ist der Einsatz von illegalem Diesel aber auch noch aus anderen Gründen höchst problematisch. Zweckentfremdeter Diesel kann nämlich auch die Umwelt stärker belasten.
Der Zoll könne die Zweckentfremdung von rotem Diesel nicht hinnehmen, betont deshalb Zoll-Leiter Vanderwaeren. Deshalb führe der Zoll regelmäßig entsprechende Kontrollen durch, pro Monat würden dabei zwischen 1.000 und 1.200 Kraftstoffproben genommen. Das ist angesichts der Trefferquote wohl auch bitter nötig. Bei 18 bis 20 Prozent der genommenen Proben stelle man die Verwendung von rotem Diesel fest, also Diesel-Betrug.
Damit steuerbegünstigter Diesel von "normalem" Dieseltreibstoff unterschieden werden kann, werden ihm verschiedene Kontrollflüssigkeiten zugesetzt, sogenannte Kraftstoffmarker. Der nationale belgische Marker enthält roten Farbstoff, daher auch die Bezeichnung "roter" Diesel. Nicht-markierter Diesel ist hingegen weiß-gelblich.
Labor nötig
Soweit zumindest zur Theorie, denn dank erfindungsreicher Krimineller ist das Erkennen schon längst nicht mehr so einfach. Bei der Kontrolle werden Kraftstoffproben entnommen, die dann vor Ort zunächst visuell überprüft werden durch die Zollbeamten. Diese visuelle Überprüfung ist aber oft schwierig, deswegen brauche man ein Labor, in das die Proben geschickt würden.
Für ganz Belgien gibt es dabei nur ein einziges Labor des Zolls, zentral gelegen in Vilvoorde nördlich von Brüssel. 12.000 Kraftstoffproben werden hier jedes Jahr analysiert, wobei das Labor auch noch zahlreiche andere Aufgaben hat. Die Leiterin des Labors, Inge Vinckier, erklärt, wo das Problem liegt. Die Behörden haben auch in Belgien schon "Entfärbereien" gefunden, in denen Kriminelle versuchen, die Marker aus dem steuerbegünstigten Diesel zu entfernen.
Dabei geht es auch nicht nur um den roten, belgischen Kraftstoffmarker. Neben diesem sichtbaren Marker enthält der steuerbegünstigte Diesel nämlich auch noch einen unsichtbaren Marker. Dieser europaweit einheitliche Marker war bisher eine Substanz namens "Solvent Yellow 124". Aber auch hier haben die Kriminellen Methoden entwickelt, um den Marker herauszufiltern.
Deswegen gibt es einen neuen unsichtbaren Marker, um Diesel mit niedrigeren Akzisen zu kennzeichnen. Der neue Marker trägt den Namen "Accutrace Plus" und ist in Belgien seit Anfang Juli zugelassen. Ab dem 19. Januar 2024 wird Accutrace Plus dann der einzige zugelassene Marker sein in Belgien und Europa. Der neue Marker sei viel stabiler und sicherer, betont Laborleiterin Vinckier. Diesen Marker aus dem roten Diesel herauszufiltern koste so viel, dass man genauso gut gleich normalen, nicht begünstigten Diesel kaufen könne.
Boris Schmidt