Eigentlich wollte der föderale Ecolo-Vizepremier und Mobilitätsminister Georges Gilkinet die Smart-Kameras noch vor Ende des Jahres im praktischen Einsatz sehen - zwar nicht überall, aber zumindest doch schon mal in fünf Polizeizonen des Landes. Aber bekanntermaßen rücken die Wahlen immer näher und da will sich die Politik beim Wähler vielleicht nicht unbeliebter machen, als es eh schon der Fall ist.
Das erklärt möglicherweise auch, warum sich insbesondere die flämischen Liberalen von Open VLD gegen die Einführung der intelligenten Kameras sperren. Wobei man auch ganz deutlich sagen muss, dass der Enthusiasmus bei den anderen Regierungsparteien offensichtlich auch sehr begrenzt ist. Als offizielle Begründung führt die Open VLD an, dass die Smart-Kameras einfach einen zu tiefgreifenden Eingriff darstellen in die Privatsphäre der Autofahrer. Die Bilder, die die Kameras machten, seien einfach zu gut, man könne darauf viel zu viel erkennen, was den Staat potenziell nichts angehe, so die sinngemäße Argumentation.
Ja, der Schutz der Privatsphäre sei ein Grundrecht, räumt Stef Willems gegenüber Radio Eén ein. Willems ist Sprecher des Verkehrssicherheitsinstitutes Vias. Aber auch Verkehrssicherheit sei ein Grundrecht. Und die Nutzung von Handys am Steuer stelle nun einmal eine grundlegende und sehr ernste Gefährdung der Verkehrssicherheit dar.
Außerdem sei die Handynutzung am Steuer ein weitverbreitetes und hartnäckiges Problem in Belgien. Jeder zehnte Belgier gebe an, mindestens einmal im Monat am Steuer zum Beispiel mit dem Handy in der Hand zu telefonieren oder Textnachrichten zu schreiben. Unter den jungen Autofahrern sei es sogar jeder vierte.
Exakte Zahlen über die Zusammenhänge zwischen Handynutzung und Verkehrsunfällen gebe es zwar nicht, einfach weil das nicht systematisch untersucht werde. Aber man schätze, dass auf belgischen Straßen pro Jahr mindestens 50 Menschen wegen Handys am Steuer umkämen und 4.500 verletzt würden.
Die Nutzung von Handys am Steuer sei zwar verboten und könne mit einer Geldbuße von 174 Euro geahndet werden, aber dazu müsse die Polizei die Fahrer auf frischer Tat ertappen, so Willems. Das sei natürlich sehr aufwendig - und beispielsweise bei Lkw-Fahrern allein schon wegen des Höhenunterschieds der Fahrzeuge sehr schwierig. Mit mobil einsetzbaren Smart-Kameras zum Beispiel auf Brücken über Autobahnen habe man diese Probleme nicht mehr.
Bei einem Testprojekt auf dem Antwerpener Autobahnring habe Vias bis zu 14 Autofahrer pro Fahrspur und Stunde erfassen können, die trotz Verbots mit ihrem Handy beschäftigt waren. Das sei eine Quote, die die Polizei manuell nie erreichen könne. Abgesehen davon könnten die Kameras auch dazu beitragen, besondere Gefahrenstellen flexibler zu überwachen, beispielsweise im Bereich von Baustellen.
Das Argument des Schutzes der Privatsphäre kann Willems ebenfalls nicht nachvollziehen, dafür gebe es technische Lösungen. Die Bilder aller Autofahrer, die kein Handy am Steuer nutzten, könnten umgehend vom System gelöscht werden. Beifahrer und selbst die Gesichter der Fahrer könnten unkenntlich gemacht werden. So könne der Schutz der Privatsphäre doch garantiert werden.
Die Niederlande hätten doch die gleiche Datenschutzgesetzgebung wie Belgien - und dort setze die Polizei ähnliche Smart-Kameras bereits seit einigen Jahren ein. Die Einführung des Systems habe dort bereits zu 35 Prozent mehr Geldbußen wegen Handynutzung am Steuer geführt.
Boris Schmidt