"Angesichts einer solchen Katastrophe darf man nicht zu lange warten, sondern muss sofort aktiv werden", sagte Yaëlle von der Löwener VoE Sabil in der VRT. Sabil ist eine von vielen Organisationen, die gleich nach den ersten Meldungen über das katastrophale Erdbeben in Marokko damit begonnen hat, die Hilfe in Gang zu setzen.
Insbesondere innerhalb der belgo-marokkanischen Gemeinschaft sitzt der Schock tief. Fast alle haben Verwandtschaft in Marokko. Mitunter waren auch gerade Familienmitglieder auf Urlaub in der Heimat ihrer Eltern oder Großeltern.
Sie sei zwar in Belgien geboren, aber Marokko bleibe doch ihre Heimat, sagte eine junge Frau in der RTBF. Und jetzt müsse man Hilfe für die Betroffenen organisieren, wie man das auch schon bei anderen Katastrophen in anderen Ländern gemacht habe. Aber Marokko sei dann doch nochmal was anderes, eben, weil sie von dort stamme.
Diese Hilfe für die Erdbebenopfer muss aber in Bahnen gelenkt werden. Anlaufstellen sind zunächst diverse Vereinigungen, aber auch Moscheen. Insbesondere in Brüssel hat man versucht, die Kräfte zu bündeln.
Erstmal haben sich die kommunalen Behörden eingeschaltet, um die Hilfsorganisationen vor allem logistisch zu unterstützen. Und dann haben sich ihrerseits noch einmal verschiedene Brüsseler Gemeinden zusammengeschlossen, um eine zentrale Sammelstelle einzurichten. Sechs Hauptstadtkommunen sind das aktuell: Brüssel-Stadt, Anderlecht, Evere, Koekelberg, Molenbeek und Saint-Gilles.
Am Dienstag soll eine gemeinsame Sammelstelle in Anderlecht einsatzbereit sein. Gebeten wird insbesondere um Zelte, Matratzen, Feldbetten, Decken, Taschenlampen, Stromgeneratoren oder Hygieneprodukte. Kleidungsstücke oder verderbliche Lebensmittel werden hingegen nicht angenommen.
Die Bürgermeister der beteiligten Gemeinden betonen, dass man mit dem Roten Kreuz beziehungsweise dem Roten Halbmond zusammenarbeite und dass man auch schon Kontakt mit dem Verteidigungsministerium aufgenommen habe mit Blick auf den Transport der Hilfsgüter in das Krisengebiet.
"Das ist nämlich gar nicht so einfach", sagte Hicham Moussa von der Organisation "Colis du Coeur" in der RTBF. Normalsterbliche können nicht einfach mit vollgepackten Tüten nach Marokko reisen. Deswegen beschränke sich seine Vereinigung auf das Sammeln von Spendengeldern, die an Partner vor Ort geschickt werden, die dann ihrerseits den Menschen helfen können.
"Auch wir arbeiten in erster Linie mit Spendengeldern, die wir dann an lokale Organisationen weiterleiten", sagt Sofiane El Bouhlali von der Organisation Human Smile. "Das ist einfacher und so kann man auch den Opfern der Katastrophe schneller und direkter helfen".
Die Föderalregierung hatte auch gleich Hilfe in Aussicht gestellt. Die schnelle Katastrophen-Einsatztruppe B-FAST steht in den Startlöchern. Man warte aber noch auf eine entsprechende Anfrage der marokkanischen Behörden, sagte Außenministerin Hadja Lahbib in der RTBF. Es sei schließlich wichtig, dass die internationale Hilfe koordiniert werde.
Neben Belgien haben rund 60 weitere Länder Hilfe angeboten. Aber irgendwie hat man derzeit den Eindruck, dass Marokko Unterstützung nur "handverlesen" akzeptiert. Bislang wurden nur Helfer aus einigen wenigen Staaten ins Land gelassen, darunter drei aus der Golfregion.
Offiziell hieß es dazu, dass die Behörden eine genaue Bewertung der Bedürfnisse vorgenommen hätten. Und dabei sei berücksichtigt worden, dass ein Mangel an Koordinierung in solchen Situationen eher kontraproduktiv sei.
Das Außenministerium hat derweil eine Reisewarnung für die betroffenen Regionen in Marokko ausgegeben. Demnach wird von Reisen ins Erdbebengebiet dringend abgeraten. Das betrifft demnach auch Städte wie Marrakesch.
Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" hat Kontakt mit den marokkanischen Behörden aufgenommen und mehrere Teams vor Ort geschickt. Wie die Organisation mitteilte, sollten die Teams den medizinischen und humanitären Bedarf ermitteln. Der künftige Einsatz von Ärzte ohne Grenzen wird von den Ergebnissen dieser ersten Bewertungen abhängen.
Die Organisation rief zu Spenden über ihren Notfallfonds auf. Die Kontonummer lautet BE73 0000 0000 6060. Es ist auch möglich, über die Internetseite zu spenden.
Die Europäische Union hat erste Hilfsgelder für die Opfer des Erdbebens in Marokko freigegeben. Dabei handelt es sich um eine Million Euro. Mit dem Geld soll die Arbeit der humanitären Organisationen im Land unterstützt werden. Die EU steht in Kontakt mit den marokkanischen Behörden und hat eine umfassende EU-Katastrophenschutzhilfe angeboten.
Bis jetzt hat Marokko die Hilfe noch nicht angenommen. In der Zwischenzeit hat sich die Europäische Kommission auch mit den Mitgliedstaaten darüber verständigt, wie Einsatzteams mobilisiert werden können, sollte Marokko dies für notwendig erachten.
Roger Pint