Wie verheerend es ist, wenn die Zufuhr von Mikroelektronik-Bauteilen unterbrochen wird, hat auch Belgien schon zu spüren bekommen. Zum Beispiel, als die Autofabriken ihre Produktion zeitweise einstellen mussten und ihre Arbeiter nach Hause geschickt haben.
Die Länder und die Institutionen in Europa sind sich dieser Verwundbarkeit bewusst. Deswegen ist im Februar letzten Jahres auch der sogenannte "European Chips Act" beschlossen worden, das Europäische Chip-Gesetz. Die Europäische Kommission schlägt damit ein Maßnahmenpaket vor, um die Halbleiter-Industrie deutlich zu stärken in Europa. Das selbst gesteckte Ziel ist eine Verdopplung der aktuellen Produktionskapazitäten.
Europa habe das Chip-Gesetz gemacht, umgesetzt werden müsse es aber in den Regionen, betont der flämische Ministerpräsident Jan Jambon. Wenn die Regionen also zusammenarbeiteten, dann könne das einen enormen Schritt vorwärts bedeuten. Genau das ist das Ziel der "Europäischen Allianz der Halbleiterregionen", die am Donnerstag in Brüssel offiziell aus der Taufe gehoben worden ist im Europäischen Ausschuss der Regionen.
Die Initiative für diese Allianz kam dabei vom Freistaat Sachsen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer kommt im Gespräch mit dem BRF mit einer klaren Ansage: "Wir müssen dafür sorgen, dass die Mikroelektronik stark bleibt in Europa. Wir sind jetzt nur noch bei zehn Prozent des Weltmarktes, das kann so nicht bleiben."
Man brauche Mikrochips für alles, von der Wasserversorgung über Lebensmittel bis hin zur Autoindustrie. Und natürlich auch für eines der strategisch wichtigen Felder der Zukunft: die Künstliche Intelligenz.
Die Regionen wüssten natürlich am besten, wie die Rahmenbedingungen aussehen müssten, um die bestehende Halbleiter-Industrie zu stärken und neue Standorte zu schaffen. Denn klar gehe es den Regionen auch darum, Arbeitsplätze zu schaffen und sich Investitionen zu sichern. "Dieses Wissen muss hier nach Brüssel gebracht werden, deswegen haben wir diese Allianz gegründet."
Kretschmer will die Allianz auch explizit nicht als Kritik oder Angriff auf die Europäische Kommission verstanden wissen. Es sei ein wirklich positives Momentum, weil so viele Menschen, die an einem Thema interessiert seien, zusammenkämen und etwas machen wollten. Man merke, dass das von der Kommission auch sehr geschätzt werde.
Wie wichtig der Zukunftsmarkt Halbleiter vielen Regionen ist, das sieht man auch am regen Zuspruch, den die Allianz schon zu ihrer Gründung findet. "27 Regionen haben sich schon zusammengeschlossen", betont Jan Jambon – Regionen, die erkannt hätten, wie wichtig die lokale Herstellung von Computerchips sei. Der Löwenanteil dieser 27 Gründungsmitglieder kommt dabei aus Deutschland, zehn Bundesländer nämlich, aus Belgien ist hingegen nur Flandern dabei.
Flandern habe bereits vor 30 Jahren die Wichtigkeit von Chips und Halbleitern erkannt und deswegen das Löwener Forschungs- und Innovationszentrum Imec gegründet, so Jambon. "Und das Imec gehört, ohne angeben zu wollen, zu den führenden Forschungseinrichtungen des Sektors." Ein europäisches Netzwerk für Halbleiter müsse also auch das Imec umfassen – und das sei nicht nur für das Institut wichtig, sondern im Interesse von ganz Europa.
"Das heute hier ist ein Beitrag für die Stärkung Europas, für die Stärkung der Wirtschaft", hebt auch Michael Kretschmer hervor. "Ein guter und richtiger Beitrag, um beim Thema Klimaschutz und bei anderen Themen die Technologien liefern zu können, die man genau dafür braucht."
Auch andere Regionen hätten bereits ihr Interesse signalisiert - ob dazu aber auch die übrigen Regionen und Gemeinschaften Belgiens gehören, lässt er offen. "Ich kann es nicht genau sagen. Diese Allianz ist offen – alle, die einen Beitrag leisten wollen, sind herzlich willkommen."
Boris Schmidt