Tatort Huppaye, eine kleine Ortschaft in der Gemeinde Ramillies, nicht weit von Jodoigne in der Provinz Wallonisch-Brabant. Archäologen der Wallonischen Region hatten dort Anfang letzten Jahres einen Gebäudekomplex entdeckt, der auf die Zeit um das Jahr 1400 datiert wird: Ein imposanter Bauernhof, der im Viereck um einen rechteckigen Innenhof angelegt wurde, und eine Kapelle, die dem Hospitaliterorden zugeschrieben wird. Rund um die Kapelle stießen die Archäologen zudem auf eine ganze Reihe von Gräbern - anscheinend bestand um besagte Kapelle ein kleiner Friedhof.
Seit Monaten arbeitet ein achtköpfiges Team in Huppaye an der Freilegung der Gebäude und vor allem der Gräber. Die Forscher stellen sich nämlich die Frage, wer denn wohl auf dem Friedhof bestattet worden sein könnte. Den Ort an sich hatte nämlich bis vor rund zwei Jahren noch keiner auf dem Schirm…
Etienne Sermon, Sprecher der AWAP, der wallonischen Agentur für das archäologische und kulturelle Erbe, hat sich jedenfalls regelrecht verliebt in die Fundstätte: Entstanden sei sie wohl nach dem 14. Jahrhundert, also vor rund 600 Jahren, sagte Sermon in der RTBF. Was man da findet, das sei durchaus von archäologischem Interesse, um das mittelalterliche Leben in der Region besser zu verstehen.
Skelette und mehr verschwunden
Die Arbeiten sind noch in vollem Gange, die Ausgrabungsstätte ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Wie sehr müssen da die Archäologen erstaunt gewesen sein, als sie eines Morgens im Mai dieses Jahres feststellen mussten, dass einige Skelette, die gerade freigelegt worden waren, verschwunden waren.
Wie sich herausstellte, haben die Diebe zweimal die Stätte besucht, einmal im Mai und dann nochmal im Juni. Verschwunden sind insgesamt mindestens drei fast vollständige Skelette und zwei Totenschädel. "Mindestens", denn man weiß nicht, ob die Täter nicht auch noch Objekte mitgenommen haben, die noch gar nicht freigelegt worden waren.
Etienne Sermon kann es immer noch nicht fassen. "Mein Gott, an den Skeletten hat doch sichtbar der Zahn der Zeit genagt", sagt Sermon kopfschüttelnd, als er sich die Fotos der verschwundenen Fundstücke in seinem Büro nochmal ansieht. "Man kann erkennen, dass die Gebeine nicht im besten Zustand sind. Also, so etwas kriegt man doch kaum verkauft". Nicht nachvollziehbar sei das jedenfalls. Hier sei in mehrerer Hinsicht die Würde verletzt worden.
Anzeige erstattet
Die zuständige wallonische Regionalministerin Valérie De Bue hat jetzt jedenfalls nach einer Prüfung des Sachverhalts entschieden, dass der Diebstahl bei der zuständigen Staatsanwaltschaft von Nivelles zur Anzeige gebracht werden soll. Anzeige gegen Unbekannt - zwar wegen Einbruchdiebstahls und Grabschändung.
Das ist übrigens längst nicht das erste Mal. Vor allem in letzter Zeit häufen sich Vorfälle dieser Art. Vor ziemlich genau einem Jahr war etwa ebenfalls in der Provinz Wallonisch-Brabant eine gallorömische Ausgrabungsstätte regelrecht geplündert worden. In Taviers war das, keine 15 Kilometer von Huppaye entfernt. Weil die Funde so alt waren, war das Gelände sogar eingezäunt. Im September 2022 hatten sich Unbekannte Zugang zu der Fundstätte verschafft. Ausgerüstet waren sie mit Metalldetektoren. Sie ließen unter anderem Knochen, Keramik und antike Ziegel mitgehen.
Im Frühjahr 2021 war in Wéris, unweit von Durbuy, die dortige, wirklich spektakuläre Megalithanlage das Opfer von Vandalen geworden. Das Alter der Menhire wird auf 5.000 Jahre geschätzt.
Auch in diesen Fällen wurde Anzeige erstattet. Es sei doch wichtig, hier ein für alle Mal ein Zeichen zu setzen, sagte die zuständige MR-Regionalministerin Valérie De Bue in der RTBF. Das kulturelle und archäologische Erbe gehöre schließlich der Allgemeinheit. Diese Stätten müssen respektiert und dürfen keinesfalls geplündert oder beschädigt werden. Falls das doch passiert, muss das geahndet werden.
Es ist nicht so, als kämen alle Raubgräber immer unerkannt bei Nacht und Nebel davon. Nach Angaben der RTBF gehen den Behörden immer mal wieder solche Plünderer ins Netz. Für illegale Ausgrabungen oder Grabschändungen drohen Haftstrafen von bis zu einem Jahr, sowie eine Geldbuße von mehreren Tausend Euro.
Roger Pint