Die sexuelle Orientierung einer Person ist in Belgien Privatsache. Das bedeutet aber nicht etwa, dass die sexuelle Orientierung beziehungsweise Identität totgeschwiegen würde, im Gegenteil, auch in den Medien wird das durchaus in bestimmten Formaten aufgegriffen. Der entscheidende Punkt ist aber, dass die Initiative dafür von den betroffenen Personen selbst kommen muss.
Das war beim Coming-Out-Video von Conner Rousseau der Fall. Weil es sich nicht nur um einen Parteipräsidenten handelt und damit um eine Person öffentlichen Interesses, sondern auch noch um den laut Umfragen beliebtesten Politiker Flanderns, ist es auch nur legitim, dass das auch in den Nachrichten aufgegriffen wird.
Soweit die oberflächliche Ausgangslage, denn bei genauerer Betrachtung ist die Geschichte komplizierter. Nicht etwa wegen der sexuellen Orientierung von Rousseau, sondern wegen der Umstände. Denn ganz so freiwillig war das Coming-Out offensichtlich doch nicht, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.
Gegen Conner Rousseau laufe schon seit Monaten eine massive Hetz- und Hasskampagne, so die Vooruit-Parlamentarierin Freya Van den Bossche in der VRT. Zu dieser Kampagne sollen auch Unterstellungen gehören, dass es unerwünschte Intimitäten gegeben haben soll vonseiten Rousseaus in zwei Fällen. Besonders pikant: Die angeblichen Opfer sollen zwei siebzehnjährige junge Männer sein, also Minderjährige.
Es habe tatsächlich auch eine entsprechende Meldung an die Staatsanwaltschaft gegeben, bestätigt Van den Bossche. Die Staatsanwaltschaft habe aber festgestellt, dass es keine faktische Basis für die Beschuldigung gegeben habe, diese erste Untersuchung wurde also eingestellt. Die zweite Untersuchung läuft noch, allerdings gibt es auch hier bisher keinerlei Hinweise auf tatsächliche Vergehen.
Flucht nach vorne
Aber bekanntermaßen und gerade in Zeiten der Sozialen Medien muss man sich ja gar keiner Vergehen schuldig gemacht haben, um öffentlich gekreuzigt zu werden. Das Coming-Out-Video könnte also auch als Rousseaus Flucht nach vorn gewertet werden.
Rousseau habe vielleicht gefühlt, dass der Druck, sich öffentlich zu äußern, größer und größer wurde. Sonst hätte er sich vielleicht erst später zu seinem Privatleben geäußert. Frei nach dem Motto: Die Anschuldigungen machen eh schon im Internet die Runde, also versucht man besser, zumindest die Richtung noch so gut es geht zu beeinflussen. Eine Taktik, die schon aus rein politischer Sicht Sinn machen würde, schließlich ist es nur noch ein Jahr bis zu den Wahlen.
Die Motive für den medialen Befreiungsschlag sind also zumindest nachvollziehbar. Allerdings irritiert viele Medien vor allem etwas anderes, nämlich die Form, die Conner Rousseau gewählt hat. Denn er hat sich nicht etwa wie heutzutage oft üblich einfach über die Sozialen Medien offenbart oder, etwas klassischer, über ein Interview im Fernsehen oder in den Zeitungen. Stattdessen hat Rousseau sich für ein professionell produziertes Video entschieden mit einem Interviewer seines Vertrauens. Dieses Video können alle Interessierten auf Youtube kostenlos und ohne Einschränkung anschauen. Medien sollten allerdings dafür bezahlen, Ausschnitte in Bild oder Ton in ihren eigenen Sendungen auszustrahlen. Eine zumindest sehr ungewöhnliche Praxis, die vielen sauer aufgestoßen ist. Als Begründung führt Vooruit an, dass man so habe ausschließen wollen, dass irgendjemand Geld mit dem Video mache. Wer wolle, könne die Botschaft Rousseaus ja gratis über Youtube abrufen.
Zweiter Kritikpunkt ist, dass Rousseau durch das von ihm gewählte Format auch alle kritischen Rückfragen von Journalisten umgeht, etwa nach besagten Anschuldigungen wegen grenzüberschreitendem Verhalten. Mehr noch, Rousseau selbst weigert sich bislang, auf Rückfragen der Presse einzugehen, alle bisherigen Äußerungen kommen von Parteigenossen und Vertrauten. Rousseau soll sich mittlerweile sogar ins Ausland begeben haben für einen längeren Urlaub. Seine Kommunikation hinterlässt also - zumindest für den Augenblick - den bitteren Beigeschmack, sehr einseitig und extrem kontrolliert zu sein.
Boris Schmidt
Genosse Conner , warum jetzt dieses Coming - out und eine zweite Frage , was geht es unsere Mitbuerger/innen an , welche sexuelle Ausricht " wer auch immer " hat ?? KEINEM !
Ein JEDER und somit auch ein Parteivorsitzender , Minister , von mir aus auch Staatsoberhaupt , soll nach seiner Lebensversion / Einstellung etc frei und ungezwungen sein - ihr Leben leben koennen. Warum also gerade jetzt dieses COMING-OUT ??????