"Staat im Staat" - so wird die italienische Mafia oft beschrieben. Denn die Mafia, das ist viel mehr als nur "gewöhnliche" organisierte Kriminalität, wie Sophie Lever von der Föderalen Gerichtspolizei Limburg auch bei der VRT unterstrich. Denn die Tentakel der Mafia reichen bis tief in die Politik und Wirtschaft, es handelt sich um eine Verflechtung zwischen der Unterwelt und dem legalen Teil der Gesellschaft.
Guido Vermeiren, der Prokurator des Königs von Limburg, geht sogar so weit, von einer versuchten Übernahme des Staates durch die Mafia zu sprechen, zumindest in Italien. Die kalabrische Ndrangheta gehört dabei zu den großen drei Mafia-Organisationen Italiens und zu den größten Spielern im internationalen Drogenhandel.
Angesichts der Macht und der Gefahr, die die Mafia darstellt, ist es also wenig verwunderlich, dass die belgischen Behörden sehr behutsam und verschwiegen vorgingen, als sie vor mittlerweile fünf Jahren Ermittlungen gegen mutmaßliche Mitglieder der Ndrangheta aufnahmen, nachdem sich die Hinweise auf eine strukturelle Anwesenheit der Ndrangheta in Limburg verdichtet hatten.
Föderale Staatsanwaltschaft, Limburger Staatsanwaltschaft, Föderale Gerichtspolizei, die Antwerpener Generalstaatsanwaltschaft - sie alle zogen bei den Ermittlungen am gleichen Strang. Es ist kein Zufall, dass die Mafia gerade an Limburg interessiert war, wie Prokurator Vermeiren ausführt.
Dreiländereck plus Hafen von Antwerpen
Da ist zunächst die geografische Lage im Dreiländereck Deutschland-Niederlande-Belgien. Für die Mafia sei es genauso interessant wie für die Industrie, von dort aus leichten Zugang zu allen drei Ländern zu haben. Und noch ein ganz entscheidender Ort liegt nahe an Limburg: der Hafen von Antwerpen natürlich, über den unter anderem Kokain nach Europa strömt. Und sicher nicht zuletzt spielten auch familiäre Verbindungen von Ndrangheta-Mitgliedern nach Limburg eine Rolle, so der Prokurator.
In diesem Kontext ist es wohl auch kein Zufall, dass einer der 13 Verdächtigen, die am Mittwoch in Belgien festgenommen wurden, Lucio Aquino sein soll, ein Mitglied des berüchtigten und im Zusammenhang mit Drogen einschlägig bekannten Aquino-Clans. Italien, wo der Löwenanteil der Operationen stattgefunden hat, verlangt auch die Überstellung von mindestens sieben der 13 Personen, darunter wohl auch von Lucio Aquino, wie es heißt.
Nachdem die belgische Polizei und Staatsanwaltschaft über drei Jahre lang akribische Vorarbeit geleistet hatten und den Verbindungen von Limburger Verdächtigen zur Ndrangheta nachgegangen waren, kam 2021 der nächste logische Schritt: eine formelle Zusammenarbeit mit den italienischen Ermittlern.
Durchbruch SkyECC
2021 war auch das Jahr, das den Kampf gegen die Drogenmafia und organisierte Kriminalität insgesamt in eine große Stromschnelle brachte. Denn im März 2021 gelang es der föderalen Polizei, das sogenannte "SkyECC"-System zu knacken, das verschlüsselte Kommunikationssystem unter anderem der Antwerpener Drogenmafia. Und die Berge an Informationen, die auch Jahre später noch nicht vollständig verwertet sind, gaben auch viele nützliche Informationen über Limburg und die Ndrangheta preis.
Ein enormer Mehrwert sei das gewesen, bestätigt Prokurator Vermeiren. Die Informationen aus Belgien hätten einen großen Fortschritt im Kampf gegen die Mafia ermöglicht, unterstrich auch Eric Van Duyse von der föderalen Staatsanwaltschaft gegenüber der RTBF. Gerade auch in Italien selbst. Wie groß dieser Fortschritt letztlich tatsächlich sein wird, muss abgewartet werden. Denn darüber werden letztlich die Gerichte entscheiden müssen, wie auch Eric Snoeck, der Generaldirektor der Föderalen Gerichtspolizei, unterstrich.
Boris Schmidt