Konkret: Die flämischen Sozialisten haben einen Vorschlag zur Begleitung von Langzeitarbeitslosen lanciert, der von den Kollegen aus dem Süden des Landes sofort abgeschossen wurde.
"Das ist eine absurde, ungerechte und ineffiziente Idee". Klare Worte des PS-Parlamentariers Ahmed Laaouej im Sender LN24. Absurd, ungerecht: In der Regel taxiert der sehr linke Vorsitzende der PS-Fraktion in der Kammer mit solchen Worten Vorschläge aus dem rechten politischen Lager. Diesmal ist das anders: Es ist seine Meinung zu einem Vorstoß der flämischen Schwesterpartei Vooruit. Vooruit habe sich wohl irgendwie verirrt, schrieb Ahmed Laaouej sinngemäß auf Twitter: "Man gibt vor, links zu stehen, um dann eine rechte Politik vorzuschlagen", giftet Laaouej. Schützenhilfe bekam er übrigens gleich auch von der sozialistischen Gewerkschaft FGTB. "Uiuiui, da hängt der Haussegen aber mächtig schief im roten Lager", wäre man geneigt zu sagen. Und das ausgerechnet kurz vor dem 1. Mai.
Was Laaouej da als "absurd, ungerecht und ineffizient" bezeichnet, das ist ein Vorstoß des Vooruit-Vorsitzenden Conner Rousseau. Der hat das Konzept "Basis-Job" wieder ausgegraben, denn die Idee an sich ist nicht neu. Demnach sollen Langzeitarbeitslose nach einer gewissen Zeit quasi zwangsrekrutiert, also zu einem Job verpflichtet werden können. Er sei davon überzeugt, dass viele Langzeitarbeitslose tatsächlich auch arbeiten wollen, sagt Rousseau in einem Video auf seiner Webseite. Das sind Menschen, die mehr Ausbildung und auch mehr Chancen brauchen. Nun, wenn man ihnen eine Chance gibt, und dann auch noch eine zweite, und der oder die Betreffende schlägt die beide Male aus, naja, dann muss man die Person bestrafen. So ist nunmal das Leben.
Ganz konkret: Arbeitssuchende sollen noch viel individueller begleitet werden als bisher. Im Rahmen dieser Betreuung werden der betreffenden Person auch Schulungen angeboten, etwa für Mangelberufe. Nach zwei Jahren wird man dann aber vor die Wahl gestellt: Entweder, man nimmt einen sogenannten "Basis-Job" an, oder man verliert seine Arbeitslosenunterstützung.
Basis-Job: Das wäre erstmal ein "richtiger" Arbeitsplatz mit einem vollwertigen Gehalt. Der soll aber zudem einen gesellschaftlichen Mehrwert haben. Zum Beispiel Beschäftigte bei kommunalen Gartenämtern oder etwa Aufsichtspersonen in Schulen oder bezahlte Gesprächspartner für Altenheimbewohner. Jobs also, die unter Normalumständen kaum rentabel wären, die aber die allgemeine Lebensqualität aufwerten. Und so ermöglicht man den Betreffenden zugleich einen Wiedereinstieg ins Arbeitsleben. Einziges Problem: Das Ganze wäre für die öffentliche Hand doch schon wieder ziemlich teuer.
Kritiker aus dem linken Lager nehmen ihrerseits vor allem Anstoß an dem verpflichtenden Charakter der Maßnahme. Wie gesagt: Nach dem Vooruit-Vorschlag muss man einen solchen Basis-Job annehmen, auf die Gefahr hin, seine Arbeitslosenunterstützung zu verlieren. Und zumindest in diesem Punkt unterscheidet sich die Idee tatsächlich kaum noch von vergleichbaren Vorstößen, die immer mal wieder aus dem liberalen Lager kommen. Dann ist meist von einem "obligatorischen Gemeinschaftsdienst" die Rede, der Arbeitssuchenden nach einer bestimmten Zeit aufs Auge gedrückt werden soll. In Flandern wird längst sehr konkret darüber nachgedacht.
Doch gibt es - neben der prinzipiellen Ablehnung von PS und FGTB - auch nuanciertere Kritik an dem Vorstoß. Die Gruppe der Langzeitarbeitslosen sei keineswegs homogen, sagte etwa in der VRT Ans De Vos, Professorin an der Antwerp Management School und Arbeitsmarktexpertin. Die Gründe, warum eine Person nicht gleich einen passenden Job findet, können vielschichtig sein. Die Lösung wäre wohl auch eine noch individuellere Begleitung, um maßgeschneiderte Lösungen zu finden:
"Mit anderen Worten", haken da gleich auch andere Kritiker ein: Wenn man schon mehr Geld in die Hand nehmen will, dann sollte man das vielleicht besser in die bestehenden Strukturen investieren, um die zu optimieren...
Das alles nur, um zu sagen, dass Vooruit hier durchaus eine Debatte losgetreten hat. Und im Gegensatz zu dem, was die öffentliche Meinung sonst so beschäftigen kann, geht es hier erfreulicherweise auch mal über konkrete Inhalte.
Roger Pint