Der Skandal um die fetten Pensionsboni einiger ehemaliger Kammerpräsidenten hatte das föderale Parlament ja eigentlich schon in seinen Grundfesten erschüttert. Doch war das, wie sich inzwischen herausstellt, nur die fast buchstäbliche Spitze des Eisbergs. Die Zeitung Het Laatste Nieuws ließ am Dienstag eine neue Bombe platzen. Demnach waren die Vorzugsbehandlungen für die Herren Herman De Croo, Siegfried Bracke und Co. keine Einzelfälle. Denn auch "einfache" Abgeordnete kamen in den Genuss einer Sonderregelung.
Erstmal ein paar Worte zur allgemeinen "Norm". Das Gesetz sieht eine Obergrenze für die gesetzliche Rente vor. Die ist benannt nach ihrem Urheber; man spricht vom "Wijninckx-Plafond". Dieser Wijninckx-Plafond entspricht schon einer stattlichen Summe: 7.813 Euro brutto pro Monat darf die Rente demnach höchsten betragen. Die allermeisten Belgier können davon nicht mal träumen.
Diese Obergrenze ist unumstößlich, auch wenn vielleicht die kumulierten Rentenansprüche Anrecht auf eine höhere Pension geben würden, erklärte in der VRT Jos D'Haese, Fraktionsvorsitzender der marxistischen PTB im Flämischen Parlament. Ein absolutes Maximum also, das für alle gelte. Für alle, nur offensichtlich nicht für Parlamentarier. Das seien nämlich die einzigen, die über ihre Pension selbst entscheiden könnten. Und die hätten eben beschlossen, diesen Wijninckx-Plafond um 20 Prozent aufzustocken.
20 Prozent obendrauf - das entspricht rund 1.500 Euro. Ergibt unterm Strich eine Pension von knapp 9.400 Euro brutto pro Monat. Natürlich muss man entsprechende Ansprüche vorweisen können, also neben seiner Abgeordnetentätigkeit auch noch Berufsjahre als Angestellter oder Freiberufler. Nur: Der Wijninckx-Plafond sieht ja eben ausdrücklich vor, dass ungeachtet solcher Ansprüche eben eine absolute Obergrenze gilt.
In der Kammer gibt es diese Sonderregelung jedenfalls laut Het Laatste Nieuws seit dem 1. Januar 2014. Beschlossen wurde sie einige Monate zuvor auf der Generalversammlung der "VoE Pensionskasse", also dem Gremium, das den Pensionsfonds der Kammer verwaltet. In diesem Gremium sitzen ausschließlich Parlamentarier, die also selbst über die für sie geltende Ruhestandsregelung entscheiden.
Genau aus diesem Grund ist auch noch strittig, ob man rein rechtlich an den Wijninckx-Plafond gebunden war, eben, weil die Kammer hier quasi ihr eigenes Süppchen kochte. Nur gibt es eben den "Geist des Gesetzes", betont auch Jos D'Haese. Und die Sonderregelung verstößt mindestens schonmal dagegen.
Streng genommen äußert sich D'Haese hier gar nicht mehr über die Sonderregelung in der Kammer, sondern über einen anderen Fall, der allerdings eins zu eins vergleichbar ist. Denn seine Partei, die PTB, hat herausgefunden, dass es im Flämischen Parlament exakt dieselbe Sonderregelung gibt. Und pikantes Detail: Die ist nochmal zehn Jahre älter als die Pensionsregelung in der föderalen Kammer. Seit 2004 haben die flämischen Abgeordneten schon die Möglichkeit, die Obergrenze um 20 Prozent zu überschreiten. Stand heute kann man also fast behaupten, dass die Regelung vom Flämischen Parlament quasi "erfunden" wurde. Und auch dort ist die Meldung eingeschlagen wie eine Bombe. Vertreter ausnahmslos alle Parteien forderten umgehend die Abschaffung der Vorzugsbehandlung.
Zu deren Entlastung muss man sagen, dass die Wenigsten von ihnen vor 20 Jahren schon dabei waren, als die Sonderregelung beschlossen wurde. Nichtsdestotrotz: Im Grunde sitzen hier alle Parteien im Glashaus, mit Ausnahme der PTB, die in den fraglichen Zeiträumen nicht in den beiden Parlamenten vertreten war und die entsprechend jetzt tatsächlich ungeniert die Rolle des Saubermanns spielen kann.
Sowohl das Flämische Parlament als auch die Kammer haben am Mittwoch die Sonderregelungen mit sofortiger Wirkung abgeschafft. Ob man die Pensionsboni auch zurückfordern kann, muss noch geklärt werden, da eben noch offen ist, ob hier wirklich gegen ein Gesetz verstoßen wurde. Doch ob nun illegal oder nicht: Der Schaden für das Image und die Glaubwürdigkeit ist wohl jetzt schon gigantisch.
Roger Pint
Vertrauen in die Politik/Politiker ist doch bei solchem Verhalten absolut unmöglich. Ich habe mich lange gegen den Gedanken gewehrt, Politiker machen ihren Job vor allem des Geldes wegen und nicht, um etwas fürdieMenschen in ihrem Land zu bewegen. Mittlerweile habe ich mehr und mehr das Gefühl, das Ganze ist für viele ein Selbstbedienungsladen. Von den 20 Prozent "Zuschlag" also 1500 Euro, die die sich gönnen, muss mancher normale Renter monatlich leben.
Eine Schande! Pfui!!