Der "ehrgeizigste Verkehrsplan aller Zeiten" ist es geworden – und zumindest auf dem Papier ist diese Einordnung durchaus nachvollziehbar: Bis 2026 soll das wöchentliche Zugangebot nämlich um satte 2.000 zusätzliche Verbindungen aufgestockt werden, wie der Ecolo-Mobilitätsminister am Montagmorgen im RTBF-Interview wiederholte, 720 davon am Wochenende. Das entspreche, auf drei Jahre gerechnet, zwei Millionen Bahnkilometern mehr, unterstrich Gilkinet. Und der Verkehrsplan umfasse ja noch weitere große Vorhaben, etwa eine bessere Zugänglichkeit der Bahnhöfe und eine Erneuerung des Schienennetzes – und zwar so schnell wie möglich.
Diese neuen Zugverbindungen sollen vor allem Menschen am Freitag- und Samstagabend in die Städte bringen, um das kulturelle und wirtschaftliche Leben anzukurbeln – und natürlich auch wieder sicher zurück nach Hause. Generell ist ein verbessertes Angebot rund um und zwischen den großen Städten das Ziel, führt die SNCB aus. Eine weitere Maßnahme betrifft die sogenannten P-Züge, also Züge für den Berufsverkehr und andere Stoßzeiten. 22 von ihnen sollen nämlich wegen mangelnder Auslastung gestrichen werden. Dafür sollen jedoch an anderer Stelle, wo ein entsprechender Bedarf vorhanden ist, zwölf neue Verbindungen hinzukommen.
Schließungen von Bahnhöfen erst mal vom Tisch
Eine weitere gute Nachricht für Reisende und Pendler: Es sollen doch keine Bahnhöfe geschlossen beziehungsweise Haltestellen abgeschafft werden – ursprünglich hatte es nämlich geheißen, dass die SNCB erwäge, über 20 Halte ganz zu streichen. Zumindest bis 2026 ist das also nun auch offiziell vom Tisch. Solange er Mobilitätsminister sei, werde das auch so bleiben, so Gilkinet. Er habe der Bahn gegenüber deutlich gemacht, dass eine Verkleinerung des Netzes für ihn keine Option sei. Inwiefern das die SNCB langfristig auch so sieht, bleibt indes abzuwarten, denn die Bahn beharrt darauf, dass eine "Optimierung" des Netzes notwendig sei, aber dass entsprechende Entscheidungen eben auf den nächsten Verkehrsplan verschoben worden seien.
Generell bleibt abzuwarten, ob die SNCB und Infrabel diese hochgesteckten Ziele auch wirklich erreichen können. Denn oft genug ist das Erlebnis Reisen beziehungsweise Pendeln mit der Bahn ja aktuell von Verspätungen, Zugausfällen und Behinderungen durch Baustellen geprägt. Das räumt der Mobilitätsminister zwar auch ein, aber wird nicht müde, eines zu betonen: Das sei die schwere Erbschaft der Vergangenheit, aber mit dieser Ära der Vernachlässigung und Unterfinanzierung der Bahn habe man abgeschlossen, seit er ans Ruder gekommen sei. Die SNCB sei nicht mehr einfach nur eine Stellschraube für den Haushalt, sprich eine Variable für Einsparungen, beteuerte Gilkinet.
Herausforderung auch durch personelle Engpässe
Ausfälle und Verspätungen seien oft auf den schlechten Zustand des Schienennetzes und der mittlerweile arg in die Jahre gekommenen Züge zurückzuführen, deswegen sei man ja auch dabei, neues Material zu bestellen. Bis das tatsächlich da und im Einsatz sei, werde allerdings Zeit vergehen, nicht zuletzt, weil auch die SNCB unter den Lieferschwierigkeiten der Zugbauer leide, etwa was Elektronikbauteile betreffe. Und das ist bekanntermaßen nicht der einzige Flaschenhals: Auch personell muss die SNCB kräftig aufstocken, es gibt bei Weitem nicht genug Zugführer und Begleitpersonal. Das sei gerade regional eine echte Herausforderung, gestand Gilkinet ein, es gebe viel Konkurrenz, beispielsweise vom Hafen Antwerpen oder auch aus Luxemburg. Das Füllen der Personallücke müsse also schrittweise erfolgen. Das Wichtige sei aber die Botschaft, dass die zusätzlichen Stellen im Plan vorgesehen und damit finanziert seien, dass es also nicht an wirtschaftlichen Gründen scheitern werde.
Diese Botschaft richtet sich auch an das aktuelle Personal, denn vor knapp zwei Wochen ist ein Protokoll mit den Gewerkschaften unterzeichnet worden, das explizit eine höhere Arbeitslast ausschließt für den Fall, dass kein zusätzliches Personal angeworben werden kann. Gilkinet beziehungsweise die Bahn sollten also in der Tat ein Interesse daran haben, die Stellen zu füllen, wenn sie ihre Versprechen über einen zuverlässigeren Bahnservice erfüllen wollen.
Boris Schmidt