Unermessliches Leid – anders kann man die bis heute spürbaren Folgen der Selbstmordattentate von Zaventem und Maelbeek wirklich nicht beschreiben. Insgesamt 32 unschuldige Menschen verloren an diesem 22. März 2016 ihr Leben, über 300 weitere wurden zum Teil sehr schwer verletzt und leiden bis heute unter körperlichen Folgen.
Psychische Traumata
Und dann sind da noch die weniger sichtbaren Folgen, die Wunden und Narben, die in die Seelen und den Geist der Opfer, ihrer Angehörigen und auch der Hilfskräfte und vor Ort arbeitenden Menschen geschlagen wurden, die damals mit diesem Horror konfrontiert wurden. Ein Horror, mit dem viele von ihnen auch heute noch leben müssen.
Ein besonders schockierendes Beispiel, wie schwer zu ertragen diese Langzeitfolgen manchmal sein können, liegt noch gar so nicht lange zurück: Im Mai letzten Jahres erhielt eine junge Frau aus Flandern Euthanasie wegen des unheilbaren psychischen Traumas, das sie durch die Explosionen am Flughafen von Brüssel erlitten hatte. Sie wird mittlerweile oft als das 33. Todesopfer der Anschläge bezeichnet und ihr Name ist am Mittwoch zum ersten Mal gemeinsam mit den Namen der anderen Opfer verlesen worden bei den Gedenkveranstaltungen.
Aufarbeitung durch die Justiz
Sicher nicht für alle, aber doch für zahlreiche Betroffene stellt derweil der Prozess um die Anschläge vom 22. März einen wichtigen Schritt in der Aufarbeitung des Erlebten dar. Für manche, weil sie endlich den überlebenden mutmaßlichen Tätern und ihren Helfern ins Angesicht blicken können. Für andere einfach, weil sie zu Wort kommen können. Für wieder andere, weil sie hoffen, danach besser zu verstehen, wie und warum ausgerechnet sie zu Opfern der Terroristen wurden.
Der Gerichtsprozess sei absolut unverzichtbar, so Myriam Vermandel-Gueuning am Rande der Gedenkveranstaltung in Zaventem im Interview mit der RTBF. Sie überlebte den Angriff am Flughafen schwer verletzt und kennt viele der anderen Betroffenen. Die Täter müssten bestraft werden, so Vermandel-Gueuning. Andererseits sei es für viele Opfer und ihre Angehörigen auch extrem schwer und bewegend, in den Zeugenstand zu treten. Man könne nur die Würde bewundern, mit der sie es trotzdem täten.
Überwindung für Überlebende
Selbst wenn man es vielen Menschen nicht ansehe, ihr Leben unterteile sich deutlich in ein vor und nach den Anschlägen, betonte sie. Und es koste sie selbst nach sieben Jahren noch Überwindung, an den Ort der Anschläge zurückzukehren. Das habe nichts mit Mut zu tun.
Aber auch wenn ihr das Herz jedes Mal bis zum Hals schlage, müsse sie kommen. Einfach, damit so etwas nie wieder passieren könne. Und um die Menschen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, die an diesem Tag ihr Leben lassen mussten, aus Respekt für all diejenigen, die an jenem 22. März weniger Glück hatten als sie selbst.
Verschiedene Emotionen
Jede Person verarbeite das Geschehene auf eine andere Weise, räumte Marijke Leeman im Gespräch mit der VRT ein. Sie arbeitete für American Airlines in Zaventem, als die Terroristen zuschlugen und entging den Explosionen nur knapp.
Sehr viel Zorn und Wut und schnelle Reizbarkeit – vor allem das habe dieser Tag beispielsweise in ihr bewirkt – auch wenn sie sich natürlich glücklich schätze, so glimpflich davongekommen zu sein. Heutzutage arbeitet sie dennoch weiter am Flughafen, wenn auch für einen anderen Arbeitgeber. Gerade zu Anfang sei die Situation aber sehr schwierig gewesen, so Leeman. Ständig habe sie Ausschau gehalten nach verdächtigen Personen oder Verhalten.
Jeder Jahrestag sei für Leeman auch etwas Besonderes. Deswegen hat sie auch am Mittwoch an der Schweigeminute in Zaventem teilgenommen.
Man könne nur hoffen, dass nie wieder jemand auf den Gedanken komme, so etwas zu tun, so der inständige Wunsch von Marijke Leeman. Ein Wunsch, mit dem sie sicher nicht allein ist.
Boris Schmidt