Es ist eine unbestreitbare gesellschaftliche Entwicklung: Wir bezahlen immer weniger in bar. Deswegen gibt es ja beispielsweise auch immer weniger Bank- und andere Raubüberfälle und wird das Netz der Bankfilialen und Geldautomaten immer weiter ausgedünnt. Im Gegenzug können wir an immer mehr Orten und auf immer mehr unterschiedliche Weisen elektronisch bezahlen. Mancherorts ist Kartenzahlung und Co. sogar schon zur einzigen akzeptierten Bezahlart geworden.
In diesem Sinn ist es nachvollziehbar, wenn die SNCB angibt, dass sie ja nur der gesellschaftlichen Entwicklung folge, wenn sie ab Mai die Barzahlung beim Fahrkartenkauf im Zug abschaffe.
Wahl der Bezahlart
Dieser Maßnahme widersetzen sich aber unter anderem die Zugbegleiter. Eine auf den ersten Blick vielleicht überraschende Reaktion – aber sie haben mehrere, auch für Außenstehende nachvollziehbare Gründe: Man könne den Menschen nicht einfach verbieten, in bar zu bezahlen, so etwa Farah Jacquet von der sozialistischen Gewerkschaft CGSP-Bahn im Interview mit der RTBF. Eine solche Einschränkung widerspreche der Idee einer öffentlichen Dienstleistung.
Die Wahl der Bezahlart müsse den Passagieren überlassen bleiben. Das sei eine diskriminierende Maßnahme, erklärte auch ein anderer Zugbegleiter bei einer Sensibilisierungsaktion im Bahnhof von Namur.
Neben solchen eher prinzipiellen Bedenken gibt es aber noch sehr praktische Einwände: Laut SNCB werden zwar nur zwei Prozent aller Tickets in Zügen verkauft, aber ein sehr großer Teil davon wird trotzdem noch immer tatsächlich in bar bezahlt, wie einige Zugbegleiterinnen bestätigen: Zwischen 40 und 50 Prozent der im Zug nachgelösten Tickets würden in bar bezahlt, in manchen Monaten läge der Anteil sogar noch höher.
Aggressionen
Und dann ist da noch das ganz grundsätzliche Problem, mit dem auch Zugbegleiter ja leider immer wieder zu kämpfen haben: Aggressionen durch Passagiere.
Natürlich sei der Ticketverkauf an Bord nicht der einzige Grund für diese Aggressionen, so Edwin Foerster von der liberalen SLFP-Gewerkschaft. Aber es sei und bleibe eine sehr delikate Angelegenheit.
Die Konflikte mit Reisenden um Fahrscheine nähmen ohnehin zu, bestätigte auch dieser Zugbegleiter, er selbst müsse das quasi täglich erleben, um nicht zu sagen mehrmals pro Tag.
Eine also wie bereits gesagt sehr delikate Situation, die durch die neue Maßnahme noch weiter verschärft werden könnte, wie Edwin Foerster ausführte: Deswegen müssten die Passagiere weiter wählen können, wie sie an Bord des Zuges bezahlten.
Für die Zugbegleiter ist also klar: Die SNCB muss die verpflichtende elektronische Bezahlung zurücknehmen. Wie offen die Bahn dafür ist, steht allerdings in den Sternen.
Laut der sozialistischen Gewerkschaft gehen ihre Pläne nämlich noch weiter: Das langfristige Ziel der SNCB sei, in einigen Jahren überhaupt keine Fahrkarten mehr in den Zügen zu verkaufen, so Thierry Moers, nationaler Sekretär der CGSP-Bahn.
Die SNCB wollte sich auf Nachfrage nicht eindeutig zu diesem Vorwurf äußern: Die komplette Einstellung des Ticketverkaufs an Bord sei aktuell kein Thema, so die Reaktion der Bahn. Grundsätzlich ausschließen könne man so etwas für die Zukunft aber auch nicht
rtbf/est
Der nicht Verkauf von Tickets in den Zügen, in Deutschland inzwischen selbst im Fernverkehr leider schon völlig Standard. Schade.