Die Räumung des besetzten "Palais des Droits" hat das Zeltlager vor dem Petit-Château anschwellen lassen - und zwar dramatisch: Kampierten hier vorher noch etwa 50 Flüchtlinge entlang des Brüsseler Kanals am Rand der Innenstadt, wuchs die Zahl nach der Räumung auf über 200 an. Die Flüchtlinge, die hier unter Planen, Decken oder eben in Zelten im Freien hausen, sind fast ausschließlich alleinstehende Männer, die meisten wohl Afghanen.
Ursprünglich erstreckte sich das Camp nur entlang der Seite des Kanals, auf der das Asylzentrum liegt. Weil dort aber kein Platz mehr war, breiteten sich die Notunterkünfte auf eine nahegelegene Brücke über den Kanal aus. Mittlerweile nehmen die Zelte auch immer mehr Raum auf der gegenüberliegenden Uferseite ein.
Lebensgefährliche Situation
Das führe zu einer lebensgefährlichen Situation, wie unter anderem der Sprecher der Bürgermeisterin von Molenbeek erklärte. Die Grenze zwischen den Gemeinden Molenbeek und Brüssel-Stadt verläuft in dieser Gegend entlang des Kanals. Viele der Flüchtlinge schlafen nämlich extrem dicht am Wasser. Nicht zuletzt, weil es sich hier nicht etwa um einen öffentlichen Park oder ein ähnlich geräumiges Gelände handelt, sondern um ganz normale Straßen, in denen Autos, Busse und Straßenbahnen fahren.
Hinzu kommt, dass auf Molenbeeker Seite auch ein vielbefahrener Radweg am Kanal entlangführt - was den Asylsuchenden noch weniger Platz lässt. Ganz zu schweigen von den Problemen, die solche wild wuchernden Flüchtlingscamps natürlich in puncto öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen. Deswegen drängt vor allem die Gemeinde Molenbeek bei der Region Brüssel-Hauptstadt seit Langem auf eine Evakuierung des Lagers.
Kein Platz in Hotel?
Am Montag schien es auch wirklich so, als ob die endlich käme: Polizei, Feuerwehr und Sozialarbeitern wurde mitgeteilt, dass sie sich für den Nachmittag für die Räumung bereithalten sollten. Sogar Busse, um die Flüchtlinge in Brüsseler Notunterkünfte zu bringen, standen bereit. Gerüchte von einer Hotelunterbringung machten die Runde. Aber am Ende war es doch wieder ein Schlag ins Wasser. Man habe gesagt bekommen, dass es doch keinen Platz gebe, so der Sprecher einer lokalen Bürgerplattform, die den Flüchtlingen vor dem Petit-Château hilft. Woran es genau gelegen hat, ist unklar. Das Kabinett des Brüsseler Ministerpräsidenten schweigt dazu eisern.
Der Hotelverband habe am Montag in der Tat eine Unterbringungsanfrage für diese Asylsuchenden bekommen, bestätigte derweil Verbandspräsident Yves Fonck der VRT. Der Hotelverband sei auch durchaus bereit, bei der Unterbringung mitzuhelfen. Laut Angaben der VRT stimmt das auch, denn in der vergangenen Woche seien bereits Flüchtlinge in zwei Brüsseler Hotels einquartiert worden. Woran lag es also dann am Montag?
Der Hotelverband habe seine Mitglieder überzeugen können, Unterbringungsplätze anzubieten in Zeiten, in denen es besonders viele Flüchtlinge gebe, so Fonck. Diese Bereitschaft bedeute aber nicht automatisch, dass die Hotels dann auch zu einem gegebenen Zeitpunkt die notwendigen Kapazitäten freihätten. Und nicht nur das: In dem entsprechenden Protokoll seien auch Vorbedingungen festgelegt worden, die erfüllt werden müssten, bevor die Menschen in Hotels gebracht werden könnten. Dazu gehöre unter anderem eine Identifizierung und eine medizinische Untersuchung, um zu verhindern, dass die Flüchtlinge ansteckende Krankheiten haben. Außerdem müsse es einen telefonischen Bereitschaftsdienst geben, damit Hotelbetreiber das zuständige Asylzentrum jederzeit erreichen und Absprachen über die Dauer des Hotelaufenthalts der Flüchtlinge und ihre spätere Unterbringung machen könnten. Selbst praktische Fragen müssten vorab geklärt sein, wie etwa die Versorgung mit Essen.
Am Montag seien nicht alle dieser Vorbedingungen erfüllt gewesen, so der Vorsitzende des Hotelverbands, deswegen habe man auch nicht weiter über eine Hotelunterbringung der Flüchtlinge sprechen können. Er gehe aber davon aus, dass im Laufe des Dienstages weitere Gespräche stattfinden würden.
Boris Schmidt