Einige Oppositionsparteien warfen der Regierung am Donnerstagnachmittag in der Kammer unter anderem vor, mit einer Hand zu geben, um es mit der anderen wieder zu nehmen. Und so wollten sie erst mal wissen, welchen Wert die Pläne des Finanzministers überhaupt haben. Vincent Van Peteghem hatte am Mittwoch seinen Entwurf einer Akzisenreform vorgestellt. Die Frage war allerdings, inwieweit dieser Vorschlag schon mit den Koalitionsparteien abgestimmt war. Denn insbesondere die frankophonen Mehrheitsparteien hatten schon wieder scharf geschossen. Die Antwort des Finanzministers war aber klar und deutlich: Der Entwurf wurde der Regierung vorgelegt und in erster Lesung auch verabschiedet.
Kritik gab es aber natürlich auch zum Inhalt des Reformentwurfs, vor allem zu zwei Punkten, die sich gegenseitig ausschlössen. Auf der einen Seite warf die Opposition der Regierung vor, dass die Reform nicht budgetär neutral sei, also mit anderen Worten: dass sie Geld koste. Tatsächlich ist es so, dass der Finanzminister sich von seiner Akzisenreform Einkünfte in Höhe von rund 600 Millionen Euro verspricht. Um die Kosten für die Mehrwertsteuersenkung gänzlich abzufedern, fehlen dann aber noch 760 Millionen. Dabei habe doch Premierminister Alexander De Croo mehrmals im Parlament versichert, dass die Akzisenreform die Kosten für die Senkung der Mehrwertsteuer auf Energieprodukte vollständig auffangen sollen. "Fünf Mal haben Sie das hier versprochen", wandte sich der N-VA-Fraktionschef Peter De Roover an den Premier. "Und Sie hatten immer unrecht."
Wer Recht hatte, war die damalige Haushaltsstaatssekretärin Eva De Bleeker, hakte Jean-Marie Dedecker ein. Wie Kassandra hat sie das Unheil kommen sehen und wollte die Kosten für die Mehrwertsteuersenkung ins Budget eintragen. Und das durfte sie nicht. "Am Ende mag es so aussehen, als wäre Eva De Bleeker die einzige gewesen, die damals ehrlich war", sagte auch Catherine Fonck von Les Engagés. Und genau deshalb sei Eva De Bleeker geopfert worden.
Premierminister De Croo erklärte, dass er immer das Jahr 2021 als Referenzzeitraum genannt habe. Also, mit anderen Worten: Der Staat soll so viel einnehmen wie eben vor zwei Jahren. Weder der Bürger solle irgendetwas gewinnen oder verlieren im Vergleich zur Zeit vor der Krise noch der Staat. Bei De Croo klang das aber ziemlich nach Wortklauberei. Die Affäre um den Rücktritt seiner früheren Staatssekretärin scheint ihn jedenfalls weiter zu verfolgen.
Aber nicht nur, dass die Reform eben nicht budgetär neutral sei, wurde bemängelt. Andere - manchmal auch dieselben - Oppositionsfraktionen warfen der Regierung zugleich vor, den Bürger wieder zur Kasse zu bitten, allen voran natürlich die marxistische PTB: Sie holen sich immer das Geld bei den kleinen Leuten, sagte Sofie Merckx. Aber das sei bekanntermaßen am einfachsten. Vor allem Finanzminister Van Peteghem verwies darauf, dass eine Besteuerung über Akzisen viel zielgerichteter sei. Die Mehrwertsteuer trifft alle gleichermaßen, ob nun arm oder reich. Bei Akzisen kann man Kriterien definieren. Das Problem sei nur: Tun wir nichts, dann wird die Mehrwertsteuer auf Energieprodukte zum 1. April wieder von sechs auf 21 Prozent angehoben. Deswegen muss diese Regierung jetzt tun, was nötig ist.
Denn eins müsse doch klar sein: So natürlich es ist, dass eine Regierung die Bürger in einer Krise unterstützt, so klar ist es auch, dass diese Hilfen zeitlich begrenzt sind und auslaufen, wenn die Krise vorbei ist. Und seine Reform liefere eine Lösung für alle Probleme: Sie lässt die Hilfen so auslaufen, dass die Kosten für den Staatshaushalt abnehmen und dass zugleich zielgerichteter agiert werden kann. Allerdings wird Van Peteghem hier nicht so sehr die Opposition, sondern erst mal vor allem die eigenen Koalitionspartner überzeugen müssen.
Mehrwertsteuer auf Strom und Gas bleibt dauerhaft bei sechs Prozent
Roger Pint