Die griechische Sozialistin Eva Kaili gilt als eine der Schlüsselfiguren in der Affäre und sitzt derzeit in U-Haft. Bei Tarabella hatte die Polizei am Samstag eine Hausdurchsuchung in der Privatwohnung des 59-Jährigen durchgeführt. Bislang wurde aber noch kein formales Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet.
Das Zählen des beschlagnahmten Geldes ist noch immer nicht vorbei
Noch könne er nichts über die genaue Geldsumme sagen, die beschlagnahmt wurde, sagte Eric Van der Sijpt, der Sprecher der Föderalen Staatsanwaltschaft. Denn: Die Kollegen sind immer noch mit dem Zählen beschäftigt. Diese Aussage spricht Bände. Am Montagabend, also rund anderthalb Werktage nach der Razzia vom Freitag, wusste man also immer noch nicht genau, wie viel Geld bei der Aktion sichergestellt wurde, es war einfach zu viel.
Die Rede ist von rund anderthalb Millionen Euro, meist in 50er- und manchmal sogar in 20er-Scheinen. Das meiste davon wurde laut Medienberichten in der Wohnung der bisherigen Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, gefunden beziehungsweise bei deren Vater. Ihr Anwalt wollte im griechischen Fernsehen allerdings weder bestätigen noch dementieren, dass Bargeld bei seiner Mandantin sichergestellt wurde. Davon wisse er nichts, sagte der Anwalt. Und seine Klientin beteuere zudem ihre Unschuld: Sie habe nie Schmiergeld aus Katar angenommen.
"Land am Persischen Golf" soll hinter der Bestechungsoffensive stecken
Ob das Emirat Katar wirklich hinter der Bestechungsoffensive steckt, dazu wollte die Föderale Staatsanwaltschaft im Übrigen immer noch nichts sagen. "Nur so viel", sagte in der VRT Sprecher Eric Van der Sijpt: "Wir gehen dem Verdacht nach, dass ein Land, das am Persischen Golf liegt, versucht hat, Abgeordnete beziehungsweise deren Mitarbeiter zu bestechen, und zwar mit Geld- oder Sachgeschenken".
Allgemein wird davon ausgegangen, dass es sich bei diesem "Staat vom Persischen Golf" aber tatsächlich um Katar handelt. Das Land habe in letzter Zeit eine doch intensive Lobby-Arbeit im Europaparlament betrieben, sagte in der VRT der Abgeordnete Erik Marquardt von den deutschen Grünen. Man habe ihn sogar zur WM nach Katar eingeladen, was er ausgeschlagen habe.
Hintergrund dieser "Charme-Offensive" war offenbar nicht nur die Fußball-Weltmeisterschaft. In den letzten Wochen hat das Parlament letzte Hand angelegt an Visa-Erleichterungen für Bürger des Emirats. In dieser Sache sei auch Eva Kaili an ihn herangetreten, sagte Erik Marquardt. Ihr sei sehr daran gelegen gewesen, dass die entsprechende Abstimmung schnell vonstattengehe und die Erleichterungen möglichst weitreichend sein sollten.
Visa-Erleichterungen für Bürger aus Katar wurden vorerst nicht beschlossen
Die Abstimmung über diese Visa-Erleichterungen stand just in dieser Woche auf der Tagesordnung der Plenarsitzung des EU-Parlaments in Straßburg. Die Entscheidung wurde erst mal auf Eis gelegt. In Bezug auf Eva Kaili hat das Parlament gleich Nägel mit Köpfen gemacht. Die griechische Sozialistin wurde am Dienstag ihres Postens als Vizepräsidentin enthoben, und das mit nur einer Gegenstimme. Viele Abgeordnete im Straßburger Halbrund haben aber - wie man hört - einen mächtigen Kloß im Bauch. Als wäre das Ganze nicht ohnehin schon schlimm genug, befürchtet der eine oder die andere, dass all das erst der Anfang sein könnte.
PS-Abgeordnete Arena und Tarabella sind weiter im Fokus der Ermittler
Im Raum stehen in jedem Fall noch mindestens zwei weitere Namen, nämlich die der belgischen PS-Abgeordneten Marie Arena und Marc Tarabella. Beide waren offenbar zunächst wegen einiger ihrer Mitarbeiter ins Fadenkreuz der Justizbehörden geraten. Das gilt in erster Linie für Marie Arena. Gegen eine ihrer Assistentinnen wird in dem Fall ermittelt. Bei Marc Tarabella gibt es aber offenbar noch weitere Verdachtsmomente. Erst mal ist es so, dass er seine Meinung in Bezug auf Katar zuletzt doch deutlich geändert hatte. Er wurde quasi vom Chefkritiker zum Fürsprecher. Hinzu kommt, dass sein Name offenbar auch bei Verhören von anderen Verdächtigen gefallen sein soll. Das allein macht ihn aber immer noch nicht zu einem Beschuldigten. Und auch bei einer Hausdurchsuchung in seiner Privatwohnung am Samstag wurde anscheinend nichts gefunden.
Entsprechend muss es denn auch eigentlich wenig zu sagen gegeben haben, als Tarabella am Dienstagmittag vom Ethikrat der PS, also seiner Partei, angehört wurde. Denn Stand Dienstag gibt es kein offizielles Ermittlungsverfahren gegen Tarabella. Was soll ein Ethikrat also großartig dazu sagen? Die Anhörung war jedenfalls nach einer knappen halben Stunde schon wieder vorbei. Der Parteivorstand wollte es aber dann doch nicht dabei belassen. Die PS hat die Parteimitgliedschaft von Marc Tarabella für die Dauer der Ermittlungen ausgesetzt. Zuvor hatte die sozialistische Fraktion im EU-Parlament schon eine vergleichbare Maßnahme erlassen. Um Marc Tarabella wird es also einsam.
Roger Pint