Im Oktober hatten Premierminister Alexander De Croo und Energieministerin Tinne Van der Straeten den Stromnetzbetreiber Elia und den Gasverteiler Fluxys mit der Erstellung eines Sonderberichts beauftragt. Elia und Fluxys sollten eine Bestandsaufnahme machen in puncto Versorgungssicherheit des Landes, was diesen und die kommenden Winter betrifft. Dieser Bericht liegt nun vor - und hat es wohl in sich, wie am Dienstagmorgen verschiedene Zeitungen berichten. Nicht wegen des laufenden Winters wohlgemerkt. Hinsichtlich der kommenden Monate beruhigt der Bericht nach wie vor.
Mittelfristig ist Netzbetreiber Elia aber deutlich weniger optimistisch geworden. In früheren Berichten hatte Elia stets betont, dass zwei neue Gaszentralen und zwei Atomreaktoren ausreichten, um die Versorgungssicherheit Belgiens zu garantieren. Das soll nun aber ganz anders klingen, berichten die Zeitungen.
Das haben am Dienstagmorgen sowohl der Ecolo-Vizepremierminister Georges Gilkinet bei BelRTL als auch der Groen-Co-Vorsitzende Jeremie Vaneeckhout bei Radio Eén bestätigt. Es scheine nun, als ob der französische Nuklearpark in den kommenden Jahren viel weniger verlässlich sein werde als ursprünglich geplant und geschätzt, so Vaneeckhout - und auch viel weniger verlässlich, als Frankreich selbst angekündigt hatte.
Prognosen nach unten korrigiert
Diese Entwicklung hat Elia für den neuen Bericht berücksichtigt und geht, um auf der sicheren Seite zu sein, mit seinen Berechnungen vom schlechtesten Szenario aus. Das bedeutet, dass Elia seine Prognosen nach unten korrigiert hat. Laut diesen upgedateten Prognosen könnte es im belgischen Energie-Gebälk knacken in künftigen Wintern.
Probleme stellten sich vor allem für den Winter 2025-2026, so der Groen-Co-Vorsitzende. Das ist nämlich der einzige Winter, in dem - laut der bisher gültigen Planung jedenfalls - kein einziger belgischer Atomreaktor in Betrieb wäre. Es ist so: Doel 3 ist im September abgeschaltet worden, das Gleiche wird im Februar mit Tihange 2 passieren.
Die Laufzeit der zwei jüngsten Reaktoren des Landes, von Doel 4 und Tihange 3, soll bekanntermaßen um zehn Jahre verlängert werden. Dazu sind aber Modernisierungsarbeiten notwendig, wodurch diese beiden Reaktoren zeitweise ebenfalls ausfallen werden. Die übrigen drei Reaktoren, sprich Doel 1, Doel 2 und Tihange 1, sollen laut Plan 2025 vom Netz gehen - respektive am 15. Februar, 1. Dezember und 1. Oktober.
Kreative, alternative Vorgehensweise finden
Die Sicherheit der Energieversorgung sei natürlich etwas, das nie aufs Spiel gesetzt werde, versicherte Vaneeckhout. Die neuen Prognosen bedeuteten also, dass eine kreative, alternative Vorgehensweise gefunden werden müsse, um die Versorgung für den Fall der Fälle sicherstellen zu können. Hier liegen offenbar zumindest potenziell verschiedene mögliche Szenarien auf dem Tisch. Unter anderem mehr Gaszentralen.
Man wolle aber zum jetzigen Zeitpunkt um jeden Preis verhindern, zusätzliche Gaszentralen bauen zu müssen, um einige Winter zu überbrücken, so der Groen-Chef. Denn eine Vergrößerung der Abhängigkeit in puncto Gas von Russland oder anderen fragwürdigen Regimen gelte es absolut zu vermeiden. Das Vorzugsszenario für die Grünen sehe deswegen vor, Doel 4 und Tihange 3 - die Reaktoren, deren Laufzeit verlängert werden soll - auch im Winter offen zu halten.
Modernisierungsarbeiten während des Sommers
Das würde bedeuten, die notwendigen Modernisierungsarbeiten während des Sommers durchzuführen. Während des Sommers würden die Reaktoren also weniger laufen und dadurch nuklearen Brennstoff sparen. Der dann eben für die "Mini-Verlängerung" im Winter genutzt werden kann -das Kabinett der Energieministerin spricht hier von einer sogenannten "Fuel extension", also "Brennstoff-Streckung". Dadurch stünden im Winter in Spitzenverbrauchszeiten Notfallkapazitäten zur Verfügung, falls französische Kernkraftwerke und damit Stromlieferungen ausfallen sollten.
Georges Gilkinet wollte derweil aber auch nicht ausschließen, dass möglicherweise über eine auf einige Monate begrenzte längere Laufzeit für die drei Reaktoren gesprochen werden könnte, die 2025 vom Netz gehen sollen, also für Doel 1 und 2 und Tihange 1.
Boris Schmidt