Alexia Bertrand hatte schon am Wochenende in vielen Zeitungsinterviews zu ihrem überraschenden Eintritt in die Föderalregierung Stellung genommen. Am Donnerstagvormittag war es an der RTBF, die neue Staatssekretärin zu befragen.
Ein Thema natürlich: ihr Wechsel von der MR zur Open VLD. Schnell wurde dieser von politischen Beobachtern als eine Art Rache an MR-Parteichef Georges-Louis Bouchez gewertet. Bouchez hatte Bertrand übergangen, als die MR einen Nachfolger für Sophie Wilmès als Außenministerin vorschlagen sollte. Bertrand hatte damals großes Interesse an dem Posten, gilt als talentiert und ambitioniert. Ist ihr Wechsel zur Open VLD also tatsächlich eine Abrechnung mit Bouchez? Bertrand ließ die Frage an sich abprallen. "Hören Sie: Das, was zählt, ist, sich jetzt der Zukunft zuzuwenden."
Trotzdem gab es eine weitere Frage zu Bouchez: Welchen Rat sie denn dem kommunikationsfreudigen und durchaus streitbaren MR-Chef geben würde - gerade auch im Verhältnis zur flämischen Schwesterpartei, der Open VLD? Auch hier spielte Bertrand das Spiel der Fragenden nicht mit: "Ich glaube nicht, dass ich Georges-Louis Bouchez Ratschläge zu geben habe", sagte sie. "Ich stelle allerdings fest, dass es eine gemeinsame Erklärung der beiden Parteivorsitzenden gegeben hat. Mit der Idee, die liberale Familie zu stärken, sich mehr untereinander abzusprechen und allgemein mehr miteinander zu reden. Und ich glaube, diesen Weg hat man jetzt beschritten."
Inhaltlich hat Bertrand eine nicht gerade dankbare Aufgabe in der Föderalregierung übernommen. Die kontroverse Debatte um den Haushalt hat auch nach dem Rücktritt von Bertrands Vorgängerin nicht nachgelassen. Weiter ist die Finanzierung noch nicht ganz geklärt. Und dann hat auch noch die EU-Kommission Forderungen gestellt. Forderungen, die Bertrand allerdings durchaus nachvollziehen kann.
Die EU-Kommission habe gesagt, dass vor allem strukturelle Reformen kommen müssten. Gerade bei den Renten. "Denn das sind Kosten, die auf lange Sicht immer weiter steigen werden. Bis zu den Horizonten 2030, 2040, 2050. Bei den Renten muss also reformiert werden, wenn man will, dass das Sozialsystem als ganzes weiter funktioniert. Und das ist das Ziel."
Bertrand also als Befürworterin von Reformen - und da nicht nur bei den Renten. Auch bei den Steuern müsse sich etwas grundsätzlich ändern. Grundidee müsse sein, die Steuern auf niedrige und mittlere Gehälter zu senken. Das müsse nicht unbedingt zu Lasten der Besserverdiener geschehen. "Es kann Reformen geben, wo ganz allgemein die Steuerlast auf Arbeit gesenkt wird", sagte Bertrand. "Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Menschen, die arbeiten, müssen mehr verdienen können."
Allerdings könne sie selbst Reformen innerhalb der Föderalregierung nicht anstoßen. Dazu habe sie als Haushaltsstaatssekretärin einfache nicht die nötigen Kompetenzen. Eine durchaus interessante Aussage, bringt sich Bertrand damit doch durchaus ins Spiel für eine längere Karriere in der Föderalpolitik. Sie, die bereits das Kabinett von Ex-Außenminister Didier Reynders vor rund zehn Jahren geleitet hatte.
Mit ihr in einer verantwortungsvolleren Funktion, so die Botschaft, werden Reformen möglich sein. Sie sei bereit dazu. Bei den nächsten Wahlen 2024 möchte die 43-Jährige auf jeden Fall antreten. Und zwar unter der Fahne ihrer neuen Partei, der Open VLD.
Kay Wagner
Rentenreform ?
Was heißt das ? Länger arbeiten, um früher zu sterben.