Streng genommen handelt es sich nicht um einen dreitägigen Streik, sondern um zwei direkt aufeinanderfolgende, separate Streiks. Seit Montagabend um 22 Uhr ist für eine Dauer von 24 Stunden zunächst die Gemeinschaftsfront der Gewerkschaften der Eisenbahner dran, also die sozialistischen und christlichen Bahngewerkschaften und die Freie Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes. Am Mittwoch und auch am Donnerstag wird dann die autonome Lokführergewerkschaft streiken. Beide Streiks werden mit den aus Sicht der Arbeitnehmervertreter immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen begründet.
Minimaldienst fällt regional sehr unterschiedlich aus
Es handelt sich bei den Aktionen auch keinesfalls um kurzfristig anberaumte oder gar spontane Streiks, die Arbeitsniederlegungen waren angekündigt. Außerdem ist die Bahn ja zur Aufrechterhaltung eines Minimaldienstes verpflichtet - etwa ein Viertel der Züge soll am Dienstag trotzdem fahren.
Zumindest in der Theorie, denn in der Praxis ist es so, dass das regional sehr unterschiedlich ist. Landesweit, also im Durchschnitt betrachtet, mag zwar jede vierte Verbindung bestehen, aber effektiv ist es so, dass der Schienenverkehr in den Provinzen Namur, Luxemburg und Wallonisch-Brabant infrastrukturell beziehungsweise personell bedingt effektiv lahmgelegt ist. Das gilt aber voraussichtlich nur am Dienstag, am Mittwoch soll das entscheidende Personal von Infrabel hier wieder regulär antreten, heißt es.
Für Mittwoch und Donnerstag, wenn also nur die Lokführergewerkschaft SACT streikt, rechnet die SNCB aktuell damit, dass die Hälfte aller Züge fahren wird. So oder so bleibt der wichtigste Tipp aber natürlich, sich immer über Webseite beziehungsweise App über die aktuellen Entwicklungen zu informieren.
Gewerkschaften sehen sich im Recht
Reisenden stehen natürlich trotzdem potenziell schwierige Tage bevor, aber die Gewerkschaften sehen sich im Recht. Sowohl Schienenpersonal als auch Reisende litten heute unter den Einsparungen, die frühere Regierungen beschlossen hätten, prangert etwa Gunther Blauwens von der sozialistischen Gewerkschaft gegenüber der VRT an.
Es sei indirekt auch im Interesse der Reisenden selbst, dass diese Aktion stattfinde, so Peter Vanderborght von der christlichen Gewerkschaft. Es gehe darum, der Regierung ein deutliches Signal zu senden, nämlich, dass die Mittel, die für die Schiene vorgesehen seien, nicht ausreichten. Bekanntermaßen waren die eigentlich geplanten finanziellen Mittel wegen der klammen Haushaltslage ja spürbar zusammengestrichen worden. Der zuständige grüne föderale Mobilitätsminister Georges Gilkinet wird zwar nicht müde zu wiederholen, dass der Staat dennoch massiv und wie seit Langem nicht mehr in die Bahn investiere und dass diese Mittel auch reichen würden - bei den Gewerkschaften aber scheinen diese Versicherungen nicht zu verfangen.
Gilkinet soll Ankündigungen Taten folgen lassen
Es müsse Geld gefunden werden für die Bahn, unterstreicht Luc Piens von der christlichen Gewerkschaft. Mit Gilkinet habe man zwar einen zuständigen Minister, der den öffentlichen Verkehr fördern wolle, aber er müsse seine Worte nun auch bitte in Taten umsetzen.
Man streike vor allem für mehr Mittel für die Schiene, so auch unmissverständlich Tony Fonteyne von der sozialistischen Gewerkschaft. Es herrsche ein enormer Personalmangel, wodurch täglich Züge gestrichen werden müssten. Der Gewerkschafter erinnert auch daran, dass Schalter geschlossen worden seien und es immer weniger Personal in den Bahnhöfen gebe. Man wolle den Reisenden eine gute Dienstleistung bieten, aber Bahn-Direktion und die Regierung machten dies unmöglich. Zu wenig Geld beziehungsweise zu geringe Investitionen führten genau zu den Problemen, denen sich die Bahn heute gegenübersehe, so Fonteyne.
Es sei wirklich an der Zeit, in die Schiene zu investieren, bekräftigt auch Gunter Blauwens, um sowohl Klimakrise als auch Mobilitätskrise endlich angehen zu können
Boris Schmidt
Wenn ich die Gewerkschaftler bei ihren Interviews in den Medien so höre: dreckige Bahnhöfe, schmutzige Bahnsteige, nicht funktionierende Aufzüge und Rolltreppen, unpünktliche Züge, überfüllte Waggons, kaputte Toiletten, schmierige Sitze, nicht funktionierende Heizungen oder Klimaanlagen und dazu wohl noch gefühlt zwei Mal im Monat ein Streik, so muss es wohl Spaß machen mit der Bahn zur Arbeit oder sonst wo hin zu fahren.
Und noch nie floss soviel Geld wie heute …