Es gibt Probleme, an die man im ersten Moment wohl nie denken würde. Dass es zum Beispiel irgendwann an Kapazitäten mangeln würde, um beschlagnahmte Drogen zu vernichten, das kann man sich eigentlich nicht ausdenken. Im Grunde ist diese Geschichte nur ein weiterer Hinweis darauf, welches Ausmaß die Drogenproblematik insbesondere in und um den Hafen von Antwerpen inzwischen angenommen hat. Dass gefühlt jeden dritten Tag eine Handgranate in der Scheldestadt explodiert, was in den meisten Fällen mit den Aktivitäten der Drogenmafia in Verbindung gebracht wird, das ist nur der sichtbarste Aspekt.
Was nicht heißen soll, dass die Behörden untätig blieben. Ganz im Gegenteil: In diesem Jahr wird die Menge an beschlagnahmten Drogen voraussichtlich einen neuen Rekordstand erreichen. Nach Schätzungen werden es wohl mehr als hundert Tonnen Kokain sein, die die Polizei- und Zolldienste 2022 abgefangen haben. Ein Rekord, der auch nur ein Indiz dafür sein kann, dass einfach noch mehr Drogen als bisher über den Antwerpener Hafen eingeschleust wurden.
Fakt ist: Die Menge an beschlagnahmten Drogen stellt die Behörden eben vor ein Kapazitätsproblem. Bei der Vernichtung des Kokains kommt man einfach nicht mehr hinterher. "Es gibt da nun einmal Grenzen technischer Natur", sagte Justizminister Vincent Van Quickenborne in der RTBF. Wenn man zehn Tonnen Kokain beschlagnahme, dann könne man die nicht schwuppdiwupp verbrennen. Die Anlagen seien irgendwann auch ausgelastet.
Zumal man Kokain ja auch nicht in jedem x-beliebigen Ofen verbrennen kann. Es handelt sich schließlich um Sondermüll, wenn auch der besonderen Art. Es bedarf jedenfalls einer Sonderbetriebsgenehmigung für eine solche Anlage.
Zwischenlagerung ist Sicherheitsrisiko
Das Problem ist aber nicht nur der reine Rückstau. Bis das Kokain verbrannt werden kann, muss es zwischengelagert werden. Und das stellt die Behörden vor ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Denn es ist fast so, als säße man da auf einem Berg aus purem Gold. "Sie müssen bedenken, dass ein Gramm Kokain im Straßenhandel 50 Euro kostet", sagte in der RTBF Francis Adyns, Sprecher der Zollbehörden. "Und wir müssen das Zeug tonnenweise vernichten."
Da kann man sich vorstellen, welche Geldwerte da mitunter in den (geheimen) Lagerhäusern auf ihre Verbrennung warten. Und man weiß auch, dass die Drogenmafia bestimmt nicht vor extremer Gewalt zurückschreckt. Deswegen würde man das Kokain natürlich am liebsten so schnell wie möglich los. Bestätigung vom Antwerpener Bürgermeister Bart De Wever: Die Bewachung der beschlagnahmten Drogen sei personell enorm aufwendig und fresse sehr viele Ressourcen, beklagte De Wever in der Zeitung Gazet van Antwerpen.
"Wir sind aber im Begriff, zusätzliche Kapazitäten aufzutun, um den Rückstau abzuarbeiten", beteuerte Francis Adyns in der VRT. "Wir gehen davon aus, dass das, was im Moment noch in den Lagerhäusern liegt, bis zum Ende des Jahres verbrannt sein wird", sagt der Sprecher der Zollbehörden.
Zusätzliche Kapazitäten, das bedeute aber nicht, dass es irgendwann keinerlei technischen Grenzen mehr gäbe, sagt Adyns. "Wenn wir auf einen Schlag fünf, sechs oder acht Tonnen Kokain beschlagnahmen, dann werden wir auch in Zukunft noch nicht die Möglichkeit haben, diese Menge 'in einem Rutsch' zu verbrennen."
Das Problem liegt da übrigens nicht nur bei den begrenzten Kapazitäten der eigentlichen Verbrennungsöfen. "Es gibt auch logistische Schwierigkeiten", zitiert Gazet van Antwerpen einen Sprecher der flämischen Agentur für Müllentsorgung (OVAM). Gemeint ist wohl, dass natürlich auch der Transport dieser "heißen Ware" ausreichend gesichert sein muss.
Bei alledem bleibt das unheimliche Gefühl, dass das Drogenproblem in und um den Hafen von Antwerpen längst Ausmaße angenommen hat, bei denen der Staat eigentlich zunehmend machtlos ist.
belga/vk