Eigentlich hatte die SNCB für die nächsten Jahre um mehr als eine Milliarde Euro zusätzlicher Mittel gefragt. Unter anderem, weil sich ihre Stromrechnung 2023 wohl verdoppeln wird. Die zahlreichen Indexanpassungen der Gehälter werden ebenfalls empfindliche Mehrkosten verursachen.
Aber statt der gewünschten einen Milliarde wird die Bahn für 2023/24 nur 234 Millionen Euro zusätzlich bekommen - zum Teil als Kompensation für die gestiegenen Energiekosten, zum Teil über niedrigere Arbeitgeberbeiträge.
Man spreche für die nächsten zwei Jahre über eine Finanzierungslücke von 808 Millionen Euro, erklärte Bahnchefin Sophie Dutordoir am Mittwoch vor dem Kammerausschuss für Mobilität. Finanziell betrachtet werde das eine besonders komplexe Übung werden. Um das trotzdem hinzubekommen, werde sich die SNCB in den kommenden Wochen mit Schienennetzbetreiber Infrabel zusammensetzen.
Es werde nötig sein, sowohl den Umfang als auch den Zeitpunkt für diverse Projekte umzuplanen. Dutordoir warnte auch, dass die Bahn gezwungen sein werde, zusätzliche Schulden zu machen. Im Schienennetzbetrieb werde man außerdem gezwungen sein, Kosten einzusparen.
Die Aussagen der SNCB-Chefin ließen also wenig überraschend aufhorchen. Auch die Parlamentarier, die deswegen am Donnerstag den zuständigen Föderalminister für Mobilität, Georges Gilkinet von Ecolo, in der Fragestunde der Kammer löcherten. Dabei wollten nicht nur die Parteien der Opposition, sondern auch einige der Mehrheit wissen, was Gilkinet gegen dieses 800-Millionen-Loch zu tun gedenke und welche konkreten Folgen das für das Netz, die Reisenden und sicher nicht zuletzt auch die Arbeitnehmer bei der Bahn haben werde.
Die Fragen hatten dabei unterschiedliche Schwerpunkte. Vlaams Belang und N-VA attackierten wie üblich die Grünen als Tagträumer und den Umgang der Regierung mit Geld. PTB und PS zielten vor allem auf die Arbeitsbedingungen und mögliche Entlassungen. Und die Parteien der Mitte, CD&V, Défi, Les Engagés und Open VLD, sorgten sich unter anderem darum, ob und wie der Bahnbetrieb aufrechterhalten oder sogar verbessert werden könne und ob die Ticketpreise steigen werden.
Konkrete Antworten bekamen die Abgeordneten vom Mobilitätsminister allerdings nicht. Er habe den Auftritt der SNCB-Chefin vor dem Ausschuss aufmerksam verfolgt, versicherte Gilkinet. Und er stelle fest, dass sie weiter auf derselben Linie lägen. Gemeinsam habe man weiter ehrgeizige Ziele für die Bahn. Und man habe auch weiter die Absicht, sie zum Rückgrat des Landes zu machen, so wie in der Regierungserklärung vorgesehen. Eine Aussage, die offenbar zum Teil Heiterkeit auslöste.
Er stimme mit Dutordoir überein, dass die Lage der Bahn durch Covid, das Hochwasser, die Energiekrise und den Arbeitskräftemangel alles andere als einfach sei. Aber man arbeite daran. Und es sei in der Tat so, dass 2023/24 zwar schwierig würden. Aber die Perspektiven für die nächsten zehn Jahre würden es erlauben, die Herausforderungen der Mobilität von morgen anzunehmen.
Es sei ihm ja auch gelungen, der Bahn im Haushaltskonklave Mittel und Zusagen für die nächsten zehn Jahre zu sichern, betonte Gilkinet. Daran würden sich auch die folgenden Regierungen halten müssen, die Aussichten der Bahn seien also solide und robust. Und das sei viel mehr, als andere Firmen im derzeitigen Kontext hätten.
Er stehe auch weiter zu dem, was er nach dem Konklave gesagt habe, nämlich, dass das eine historische Einigung für die Bahn sei. Und er werde sich auch weiter für mehr Mittel einsetzen, etwa bei der nächsten Haushaltskontrolle. Er habe gemeinsam mit den Teams der Bahn und von Infrabel durch alle Krisen dafür gesorgt, dass die Sachen liefen - und das gedenke er auch weiterhin zu tun, so Gilkinet sinngemäß.
Er habe weiter große Ziele für die Bahn, die er allen Schwierigkeiten zum Trotz auch mit Überzeugung weiter vertreten werde. Denn er sei überzeugt, dass die Bahn eine zentrale Rolle spielen werde für die Welt, die Mobilität und die Wirtschaft von morgen.
Boris Schmidt