Mehr oder weniger ist es so gekommen, wie die SNCB es angekündigt hatte: Wer in den Provinzen Namur und Luxemburg am Mittwoch mit dem Zug fahren wollte, der schaute komplett in die Röhre. Kein Zug weit und breit - genau so, wie die Bahn es im Vorfeld des Streiks mitgeteilt hatte.
In den anderen Landesteilen fuhr etwa ein Viertel der Züge, Intercity-Züge deutlich öfter als Pendlerzüge. Und dass gestreikt wurde, nahmen viele Bahnreisende eher gelassen. So zumindest die Äußerungen von Menschen, die von VRT und RTBF für ihre Mittagsnachrichten befragt worden waren.
Zu Wort kamen dort auch Gewerkschaftsvertreter. Und das war alles andere als verkehrt. Denn so richtig bewusst war vielen Menschen nicht, warum genau die drei großen Gewerkschaften für nur einen Tag zum Streik aufgerufen hatten. Alban Deneufbourg von der sozialistischen Gewerkschaft CGSP rief es bei der RTBF in Erinnerung: "Wir fordern massive Unterstützung für die Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes, den die Bahn darstellt."
"Bislang ist aber noch nicht bekannt, wieviel Geld dafür zur Verfügung stehen wird. Wir fordern die finanziellen Mittel, damit wir unsere Aufgaben würdevoll erfüllen können." Diese Forderungen seien nicht neu, fügte der Gewerkschafter hinzu, und hatte damit vollkommen Recht.
Zudem werden die finanziellen Mittel nicht nur von den Gewerkschaften verlangt. Auch die Arbeitgeber bei SNCB und dem Infrastrukturbetreiber Infrabel teilen die Unzufriedenheit ihrer Mitarbeiter, und sogar der für die Bahn zuständige Föderalminister Georges Gilkinet von Ecolo verurteilte den Streik nicht wirklich.
"Die Situation ist natürlich absolut bedauerlich, und es tut mir leid für alle Reisenden, die betroffen sind. Ich bin nicht glücklich über den Streik. Aber die Gewerkschaften fordern diesmal das gleiche wie ich", so Gilkinet.
Minister, Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einem Boot: Das ist alles andere als gewöhnlich. Wie Gewerkschafter Deneufbourg schon sagte, geht es im Kern um Geld. Bis Ende des Jahres sollen strategische Entscheidungen für die Bahn getroffen und festgelegt werden, wieviel Geld dafür in den kommenden zehn Jahren zur Verfügung stehen soll.
Vier bis fünf Milliarden Euro müssten es laut Gilkinet und seinen Verbündeten sein - eine ganze Menge Geld, besonders in Zeiten der Krise. Als Trumpf haben Bahn und Gilkinet allerdings im Ärmel, dass die Regierungsvereinbarung der Vivaldi-Regierung den Ausbau der Bahn ausdrücklich vorsieht. Die Bahn wird dort als Verkehrsmittel der Zukunft genannt. "Züge bedeuten Zukunft", sagte Gilkinet noch einmal. "Und deshalb ist jetzt die Stunde der Wahrheit. Jetzt müssen Budgets bewilligt werden."
Mit dem Geld soll eine ganze Reihe von Verbesserungen erreicht werden. "Es geht um den Zugang zu den Bahnhöfen, um Züge, die morgens früher und abends später als heute fahren, die pünktlicher sind, denn wir werden endlich auch wieder in die Infrastruktur investieren. Auch im Sinne der Industrie, die mehr Güter auf die Schiene verlagern will. Was weniger Lkw auf den Straßen bedeutet und weniger Umweltverschmutzung, mehr Sicherheit auf den Straßen, weniger Staus", zählt Gilkinet auf.
Die Haushaltsverhandlungen der Föderalregierung stehen vor der Tür. Der Streik soll die Regierung an das offene Versprechen erinnern, die Bahn fit für die Zukunft zu machen. Auch in Zeiten der Krise. Oder vielleicht gerade deshalb.
Kay Wagner