Seit Ende letzter Woche hatte sich Justizminister Vincent Van Quickenborne mit seiner Familie unter Bewachung an einem sicheren unbekannten Ort aufhalten müssen, sich nur per Videoschalte geäußert. Aber in der Kammer erschien er am Donnerstag, vollkommen überraschend, persönlich. Ein deutliches, nicht misszuverstehenedes Signal.
Auch von Kammerpräsidentin Eliane Tillieux gab es eine klare Ansage: Sie wolle die parlamentarische Arbeit des Tages nicht beginnen, ohne dem anwesenden Justizminister im Namen der gesamten Kammer die Solidarität auszusprechen. Die Drohungen gegen den Minister seien absolut inakzeptabel für eine demokratische Gesellschaft.
Zeichen der Unterstützung und des Protestes
Deshalb bitte sie die Abgeordneten, sich zu erheben als Zeichen der Unterstützung. Und auch als Zeichen des Protestes gegen jeglichen Versuch, das demokratische System zu destabilisieren. Eine Geste, der die Parlamentarier auch geschlossen nachkamen.
Diese Geschlossenheit war auch in der Fragestunde spürbar. Die Fragen an Premier Alexander De Croo, Justizminister Vincent Van Quickenborne und Innenministerin Annelies Verlinden bezüglich des Kampfes gegen Extremisten und die organisierte Kriminalität waren im Kern auch fast identisch - unabhängig davon, ob sie aus der Regierungskoalition oder aus der Opposition kamen: Was werde gegen diese Bedrohungen unternommen?
Der richtige Kampf
Der Kampf gegen den Drogenterror und gegen die Drogengewalt seien von Anfang an eine absolute Priorität für seine Regierung gewesen, betonte der Premierminister. Die Einschüchterungsversuche und Drohungen gegen den Justizminister bestärkten die Regierung nur in ihrer Überzeugung, dass es sich dabei um den richtigen Kampf handele. Ein Kampf, den man nun mit noch mehr Entschlossenheit und Mitteln fortsetzen werde.
Die Sicherheitsorgane seien sich der verstärkten Gefahr von extrem Rechts bewusst, versicherte der Premier. Die Extremisten würden erfasst und ganz genau im Auge behalten, damit man bei Gefahr zugreifen könne. So wie am Mittwoch geschehen.
Der Premier erinnerte aber auch daran, dass man sich in der belgischen Demokratie zwar bei Meinungsverschiedenheiten oft heftig mit Worten, Ideen und Argumenten bekämpfe. Aber das Grundprinzip der Demokratie sei immer, dass man sich mit Worten und nie mit Waffen bekämpfe. Er hoffe, dass alle in der Kammer zu diesem Prinzip stünden und es verteidigten.
Gegeneinander aufhetzen
Der Justizminister selbst bedankte sich bei den Abgeordneten für die deutliche Unterstützung, in seinem Namen und dem seiner Familie. Die Gesellschaft und der Staat würden von Islamisten angegriffen, die die freie Gesellschaft ablehnten, von im Internet durch Verschwörungstheorien radikalisierte Extremisten, von Schwerkriminellen. Ihre Motive seien unterschiedlich, ihre Ziele aber dieselben: Die Menschen gegeneinander aufhetzen, Angst und Terror säen, die Gesellschaft destabilisieren, um zu kontrollieren.
Man dürfe nicht naiv sein, so Van Quickenborne, Belgien sehe sich einer neuen Phase der Kriminalität gegenüber, dem Drogenterror. Aber dagegen werde es kämpfen, mit mehr Mitteln und Personal und Entschlossenheit. Denn man dürfe auf gar keinen Fall zulassen, dass Belgien in südamerikanische Zustände abgleite, zu einem Narco-Staat werde.
Freiheit aller Menschen
Deswegen habe er die Staatssicherheit beauftragt, ab jetzt auch die organisierte Kriminalität ins Visier zu nehmen. Denn sie stelle, genau wie Terrorismus und Extremismus, eine Gefahr für den Rechtsstaat darstelle.
Konkret solle der Dienst beispielsweise Korruption durch Kriminelle bis in die höchsten Ebenen bekämpfen und die Infiltration von Entscheidungsorganen. Er solle aber auch seine nachrichtendienstlichen Fertigkeiten einsetzen, um die Netzwerke der Verbrecher ans Tageslicht zu bringen.
Es sei ein Kampf um die Freiheit aller Menschen, den Belgien führe – mit mehr Überzeugung als je zuvor.
Boris Schmidt