Bei den Hausdurchsuchungen am Mittwoch sind sechs Personen vorläufig festgenommen werden. Einer der Hauptverdächtigen wurde bei einem Schusswechsel getötet, als die Sondereinheiten der Föderalen Polizei seine Wohnung in Merksem bei Antwerpen durchsuchen wollten. Er gilt laut Medienberichten als zentrale Figur beziehungsweise Anführer der Gruppierung.
Aber auch zumindest einige der Festgenommenen werden als wichtige Verdächtige und als gefährlich eingestuft. Die Hauptverdächtigen hätten seit Längerem auf der Terroristenliste des Anti-Terror-Stabs Ocam gestanden, bestätigte Justizminister Vincent Van Quickenborne per Videoschalte in der VRT-Sendung "Terzake". Deswegen hätten die Behörden auch ermittelt und letztlich zugegriffen.
Der Ocam habe schon lange vor dem Vormarsch rechtsextremer Ideologien in Belgien gewarnt. Dass die eine wachsende Gefahr darstellten, sehe man auch an der Gefährderliste.
Die Zahl von Rechtsextremisten auf der Terroristenliste habe zugenommen auf mittlerweile über 60 Personen. Es gebe auch mehr Ermittlungen in das Milieu und würden auch mehr Zwischenfälle mit rechten Hintergründen erfasst.
"Lone Actors"
Was der Minister aber nicht sieht, ist eine koordinierte neue Form von Terrorismus: Bei manchen der Personen, die als potenziell gewalttätige Extremisten auf der Liste stünden, scheine Rechtsextremismus sicher auch eine Rolle zu spielen. Man habe es heute aber vor allem mit sogenannten "Lone Actors", Einzeltätern zu tun. Das Bild sei wesentlich diffuser als früher. Bei diesen Menschen beobachte man einen Flickenteppich an Ideologien, genährt durch Verschwörungstheorien und Falschinformationen, die in den Sozialen Medien wucherten.
Das scheint man auch zumindest im Fall des getöteten Hauptverdächtigen zu sehen: Wie aus öffentlichen Äußerungen des Mannes in den Sozialen Medien hervorgeht, betrachtete er die ganze Gesellschaft als "todkrank", als Abwärtsspirale aus "Dekadenz, Selbstbereicherung und Steuersklaverei".
Gleichzeitig schimpfte er auf sogenannte "woke" Menschen, auf Feminismus, "Ökofundamentalismus" und für ihn ähnliche Auswüchse unserer modernen Gesellschaft.
Der Mann gab sich auch betont systemkritisch, bezeichnete sich selbst als "souveräner Bürger", als Mitglied einer ursprünglich amerikanischen Bewegung, die Behörden und den Staat nicht anerkennen, ähnlich der deutschen "Reichsbürger". Gleichzeitig wünschte sich der Mann aber auch eine Militärdiktatur mit unter anderem strengen Gesetzen.
Einfluss durch Corona-Krise und "Prepper"-Szene
Die Corona-Krise sei auch bei dieser Person ein Brandbeschleuniger gewesen für sein systemkritisches Gedankengut, so Van Quickenborne.
Ein großer Teil des ideologischen Rüstzeugs des Getöteten ist aber auch eindeutig auf die sogenannte "Prepper"-Szene zurückzuführen. "Prepper" sind Personen, die sich individuell auf verschiedene Arten von Katastrophen vorbereiten. Beispielsweise durch das Anlegen von Vorräten, die Beschaffung von Notausrüstung oder dem Erlernen oder Trainieren bestimmter Fertigkeiten.
Laut den Sicherheitsbehörden gebe es in den Reihen der "Prepper" eine deutliche Vorliebe für Waffen, erklärte der Justizminister. Auch das fügt sich nahtlos ein in das Bild des Getöteten.
Er war unter anderem bekennender Waffen- und Militaria-Sammler, die Rede ist sogar von einem regelrechten Waffennarren. Allein bei ihm haben die Beamten über 100 Waffen verschiedener Art sichergestellt, plus viel Munition und zahlreiche weitere Gegenstände, die auch militärisch genutzt werden können, wie etwa Wärmebild- und Nachtsichtgeräte.
Der Mann soll schon 2016 auch Vorträge gehalten haben und ein Jahr später sogar eine Art Handbuch für "Prepper" geschrieben haben. Darin enthalten waren unter anderem auch Tipps, wie man in Belgien am besten legal an möglichst viele Waffen und Munition kommt - und auch darüber, wie man Gruppen aus Gleichgesinnten aufbauen könnte.
Boris Schmidt