Ohne Schutzhelm und Warnweste auf einer Baustelle im Schienenverkehr – das kann sich wahrscheinlich nur ein Politiker erlauben. Belgiens Verkehrsminister Georges Gilkinet hatte am Montag das Privileg: In der Brüsseler Stadtgemeinde Schaerbeek besuchte er eine der derzeit wichtigsten Baustellen des Schieneninfrastrukturbetreibers Infrabel. Was hier genau gebaut wird, erklärt Infrabel Generaldirektor Benoît Gilson wie folgt: "Wir bauen hier an einem Korridor, der nur für den Güterzugverkehr vorgesehen ist. Das soll eine harmonische Durchfahrt durch Brüssel ermöglichen, ohne den Personenverkehr zu behindern, der ebenfalls sehr dicht ist in Brüssel."
Zurzeit fahren Güter- und Personenzüge nicht immer auf getrennten Schienen in Brüssel. Das führe zu endlosen Konflikten, sagt Gilson. Vor allem auch deshalb, weil Brüssel mitten auf der Strecke zwischen dem Hafen von Antwerpen und Frankreich liege. Eine Strecke auf der besonders viele Güterzüge fahren. Um die aktuellen Probleme in Zukunft nicht mehr zu haben, baue man jetzt am besagten Korridor.
Die aktuellen Arbeiten haben im Juni begonnen und sollen in ein paar Wochen abgeschlossen sein. Damit ist der komplette Güterzugkorridor durch Brüssel allerdings noch nicht fertig. Dafür müssen dann noch einmal monatelang Schienen, Weichen und Signalsysteme ausgetauscht oder neu verlegt werden. Wenn die Föderalregierung überhaupt das Geld dafür frei macht.
Mehr Güter auf die Schiene
Geschätzte 20 Millionen Euro wären das. Doppelt so viel Geld, wie für die aktuellen Bauarbeiten ausgegeben wird. Für Verkehrsminister Gilkinet aber auf jeden Fall gut angelegtes Geld. "Es ist absolut notwendig, hier in Brüssel zu investieren", sagte er der RTBF. "Die Stadt ist ein großer Knotenpunkt, an dem es auch oft zu Schwierigkeiten kommt, denn viele Güter- und Personenzüge fahren hier durch."
Und dann stellte Gilkinet das Schienenprojekt in Brüssel noch in das große Gesamtbild: "Der Güterverkehr auf der Schiene", sagte er, "macht nur knapp zehn Prozent des gesamten Gütervolumens aus, das in Belgien transportiert wird.
Das wollen wir ändern: Wir wollen mehr Volumen auf die Schiene bekommen. Denn der Zug ist zurzeit das umweltfreundlichste Verkehrsmittel für Güter. Er wird uns dabei helfen, unsere Klimaziele, unsere Energieziele und unsere Ziele bei der Sicherheit im Straßenverkehr zu erreichen."
Weniger LKW
Sollte das Geld für die nächste Bauphase von der Föderalregierung genehmigt werden, könnten ab 2030 die ersten Güterzüge auf ihrem neuen Korridor durch Brüssel rollen.
Trotz dieser noch langen Wartezeit freut sich die Branche schon darauf. Paul Hegge, Vertreter des Belgian Rail Freight Forums, eines Verbands von Bahngütertransportunternehmen, sagt: "Das sind gute Neuigkeiten für uns, die Unternehmen, aber auch für alle Einwohner und Bürger. Denn wenn der Güterverkehr auf der Schiene gut funktioniert, fahren auch weniger Lkw auf dem Brüsseler Ring und anderswo in Belgien."
Kay Wagner