Die Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen macht etwas weniger als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung aus. Aber laut den Zahlen der Föderation der Notare zeichnen diese jungen Menschen für fast ein Drittel der Transaktionen auf dem belgischen Immobilienmarkt verantwortlich: genauer gesagt 31,4 Prozent bei den Häusern im ersten Halbjahr 2022 und 25,7 Prozent bei Wohnungskäufen.
Das ist eine Trendwende: In den vergangenen Jahren hatte der Anteil junger Käufer immer weiter abgenommen. Der Hauptgrund sind die seit Jahrzehnten steigenden Immobilienpreise und ein Kaufrausch, der durch die Corona-Krise nur noch weiter angeheizt worden war.
Das bestätigte auch Notar Renaud Grégoire in der RTBF. Es sei kompliziert: Die Preise seien hoch. Gleichzeitig verfügten junge Menschen über weniger Eigenkapital und auch noch nicht über den finanziellen Spielraum wie ältere Käufer.
Woran liegt es also, dass wieder mehr junge Menschen Wohneigentum erwerben? Eine Antwort darauf sind die alles andere als vielversprechenden Zukunftsaussichten - auch und gerade hinsichtlich der Hypothekenzinsen: Denn obwohl die seit Anfang des Jahres deutlich gestiegenen belgischen Langzeitzinsen seit Juni wieder stark gefallen sind, so haben die Banken das eben nicht auf die Hypothekenzinsen übertragen.
Inflation setzt junge Käufer unter Druck
Damit ist das Leihen von Geld zum Kauf eines Hauses oder einer Wohnung noch immer deutlich teurer als etwa im Februar. Nicht nur, aber eben auch junge Käufer haben also offensichtlich versucht, noch auf den Zug aufzuspringen, bevor sich die Kreditsituation weiter verschlechtert, sprich die Hypothekenzinsen noch weiter steigen.
Aber es ist auch die Angst vor einer weiter galoppierenden Inflation, die potenzielle junge Käufer deutlich unter Druck gesetzt hat.
Junge Menschen haben aber nicht nur mehr gekauft, sondern auch oft mehr bezahlt, wie Fednot-Sprecher Bart Van Opstal gegenüber der VRT erklärte: Gemittelt seien die Preise nämlich um 10.000 bis 20.000 Euro gestiegen im Vergleich zum Vorjahr. Das bedeutet, dass Menschen zwischen 18 und 30 mittlerweile durchschnittlich 275.000 Euro für ein Haus bezahlen.
Ein Wert, der schon sehr nah am belgienweiten Durchschnittspreis von 285.000 Euro liegt, so Van Opstal.
Regionale Unterschiede
Für Wohnungen gilt das Gleiche: Junge Käufer berappten zuletzt gemittelt 225.000 Euro für ein Apartment, was gerade mal knapp 5.000 Euro unter dem nationalen Gesamtdurchschnitt liegt.
Regional gibt es natürlich wie immer gewisse Unterschiede: Am teuersten auch für junge Käufer ist die Hauptstadtregion Brüssel, gefolgt von Flandern und der Wallonie. Das schlägt sich logischerweise auch in den Verkäufen nieder: Nur 11,6 Prozent der verkauften Häuser in Brüssel sind an junge Käufer gegangen, also fast nur jedes zehnte.
Vergleicht man das mit Flandern und der Wallonie, dann ist das gerade mal ein grobes Drittel. Im Gegenzug haben junge Menschen in Brüssel mehr Apartments gekauft. Auch das ist nur logisch: Wer sich kein Haus leisten kann, aber unbedingt kaufen und in der Stadt bleiben will, muss eben auf eine Wohnung zurückgreifen.
Aber dazu waren längst nicht alle bereit: Wie aus dem Barometer ebenfalls hervorgeht, haben viele junge Menschen den harten Preiskampf schlicht aufgegeben und konzentrieren sich auf preislich günstigere Gegenden des Landes, wie auch Renaud Grégoire betont.
Die beliebtesten Gemeinden seien oft die mit den niedrigeren Durchschnittspreisen. Die Zahl junger Menschen, die in kleinen Gemeinden gekauft habe, sei deutlich gestiegen, so auch Fednot-Sprecher Van Opstal.
In der Praxis bedeutet das, dass viele Käufer in spe der Hauptstadtregion und ihrer Umgebung den Rücken kehren. Zu den für Hauskäufe bei jungen Menschen beliebtesten Orten in der Wallonie gehören unter anderem Sambreville, La Louvière und Binche.
In Flandern zählen etwa Pelt, Harelbeke und Poperinge zu den beliebtesten Gemeinden. In Pelt in der Provinz Limburg beispielsweise ist mit 46 Prozent fast jedes zweite verkaufte Haus an junge Käufer gegangen.
Boris Schmidt