Wieder einmal hat der MR-Vorsitzende Georges-Louis Bouchez es geschafft. Wieder einmal hat er fast alle überrascht. Nur, dass der Nachfolger von Wilmès ebenfalls eine Frau werden würde, das stand eigentlich schon vor der Pressekonferenz am Freitagvormittag fest, auf der Bouchez Hadja Lahbib als neue Außenministerin vorstellte.
Niemand, so kann man wohl getrost sagen, hatte dabei Lahbib auf der Rechnung. Eine Nähe zur MR wurde ihr bislang nicht nachgesagt. Nachdem sie vor über einem Jahr als Nachrichtensprecherin bei der RTBF ausgeschieden war, hatte sie sich um die Kampagne für Brüssels Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt 2030 gekümmert.
Jetzt kommt alles anders. "Ab sofort werde ich die Ehre haben, das Gesicht Belgiens im Ausland zu sein. Ich werde Belgiens Interessen verteidigen, genauso wie unsere demokratischen Werte und Grundfreiheiten zu einem Zeitpunkt, an dem sie stärker denn je bedroht sind", umschrieb Lahbib ihre neue Aufgabe.
Dass Bouchez bei der Suche nach einer Nachfolgerin für Wilmès als Außenministerin gerade auf sie gestoßen sei, sei sicher wagemutig gewesen, ließ Lahbib anklingen. "Auf diesen Vorschlag, den man zumindest wagemutig nennen kann, habe ich mich entschieden, mit einer ebenfalls wagemutigen Entscheidung zu antworten und das Angebot anzunehmen.
Warum das Ja zur neuen Aufgabe? "Um aus meiner Komfortzone zu kommen", sagte Lahbib. "Um etwas beizutragen, zu handeln in einem historischen Augenblick. Ich glaube, dass Europa, die Welt, der aktuelle Zustand der Welt es von jedem verlangt, die Ärmel hochzukrempeln und dazu beizutragen, von dort, wo jeder steht, eine Antwort beizusteuern. Es hat sich so ergeben, dass man mich gebeten hat, diesen Posten zu übernehmen. Und da habe ich mir gesagt, dass man manchmal seinem Stern folgen sollte."
Geboren wurde Lahbib 1970 in der Gemeinde Boussu westlich von Mons. Zufall oder nicht: Bouchez ist Präsident des Fußballclubs von Boussu, den Francs Borains. Die Eltern von Lahbib stammen aus Algerien. An der Universität von Brüssel studierte sie Journalismus, präsentierte rund zwei Jahrzehnte Nachrichtensendungen bei der RTBF, für die sie auch mehrere Auslandsreisen unternahm, die sie unter anderem nach Afghanistan und in den Nahen Osten führten.
Dass er gerade bei Lahbib angefragt habe, ob sie Nachfolgerin von Wilmès werden wolle, begründete Bouchez mit seinem Willen, "jemanden Neuen, Frischen zu präsentieren in der Politik. Ihr Werdegang ist sehr verdienstvoll. Das hat mich auch dazu bewogen, mich für sie zu entscheiden."
Dass Lahbib bislang über keine politische Erfahrung verfüge, sei kein Hindernis. "Hadja hat vielleicht keine Erfahrung in der Politik", sagte Bouchez. "Aber sie hat ein besseres Wissen über die internationale Lage als einige ihrer Vorgänger, als sie ihr Amt angetreten hatten."
Auch die Betroffene selbst sieht das so. Selbstbewusst sagte sie der VRT: "Ich habe keine politische Erfahrung. Aber ich kenne mich in der Materie aus. Ich war vor Ort. Ich komme deshalb mit meiner Andersartigkeit. Vielleicht ist es der Moment, etwas anderes zu bieten. Etwas anderes in der Politik zu machen."
Und fast schon, als ob sie sich für ihren kurzen Wechsel ins Französische entschuldigen wollte, fügte Habib noch hinzu: "Ich verstehe Niederländisch besser, als ich es spreche. Aber ich werde den Sommer dazu nutzen, mich intensiv mit der Sprache zu beschäftigen und mich zu verbessern."
Kay Wagner